Minneapolis – Betonsperren und Zäune säumen das Gerichtsgebäude, die Polizei hat sich für einen Großeinsatz bereit gemacht. Auch Soldaten der Nationalgarde wurden mobilisiert. An den Sicherheitsvorkehrungen, die in der US-Stadt Minneapolis getroffen wurden, ist ganz gut abzulesen, wie viel Sprengkraft jenes Verfahren hat, das gestern begann.
Fast zehn Monate nach dem brutalen Tod des Afroamerikaners George Floyd wird nun dem Hauptangeklagten der Prozess gemacht. Derek Chauvin, inzwischen entlassener Polizist, wird unter anderem Mord zweiten Grades zur Last gelegt. Nach hiesigem Recht ist das mit Totschlag vergleichbar und kann mit bis zu 40 Jahren Haft be- straft werden. Die Anklage wirft ihm zudem Totschlag zweiten Grades vor (womit zusätzlich zehn Jahre Haft möglich wären) – über einen dritten Anklagepunkt muss noch entschieden werden. Gestern stand die Auswahl der Jury an. Das Hauptverfahren startet am 29. März.
Viele Formalitäten also. Die Emotionen sind trotzdem groß. „Ich möchte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, auch wenn sie in meinem Herzen niemals gerecht sein wird“, sagte Floyds Onkel Selwyn Jones im Vorfeld. Natürlich wolle er, dass Chauvin schuldig gesprochen werde. Allerdings äußerte Selwyn auch Zweifel daran, dass die Gerechtigkeit siegt.
Chauvin hatte den damals 46 Jahre alten Floyd am 25. Mai 2020 brutal zu Boden gerungen und ihm auf offener Straße acht Minuten lang das Knie auf den Nacken gedrückt. Mehr als 20 Mal flehte Floyd um Luft. „I can’t breathe“ („Ich kann nicht atmen“) wurde zum schmerzhaften Leitspruch der „Black Lives Matter“-Bewegung. Passanten hatten die Szene mit ihren Handys gefilmt.
Daraufhin kam es zu beispiellosen Protesten, vor allem in den USA, aber nicht nur. Hunderttausende forderten „Gerechtigkeit für George“. Die Diskussion über Rassismus und Polizeigewalt hatte auch konkrete Folgen. Mehrere Bundesstaaten und Städte brachten Polizeireformen auf den Weg, etwa ein Verbot von Würgegriffen oder Halsfixierungen. Auch für den US-Wahlkampf war Floyds Tod ein Wendepunkt. Statt die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, goss der damalige Präsident Donald Trump eher Öl ins Feuer. Joe Biden schaffte es auch durch die Unterstützung vieler Schwarzer ins Weiße Haus.
Sie hoffen nun auf eine harte Strafe für Chauvin. Dass er in Haft muss, ist sehr wahrscheinlich. Nur wie lange? Die Verteidigung will offenbar argumentieren, der Einsatz sei gerechtfertigt gewesen, weil Floyd Widerstand geleistet habe. Das Video gibt diese Einschätzung nicht her. Bei dem Einsatz ging es zunächst auch nur um eine Lappalie. Floyd soll angeblich mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt haben.
Floyds Onkel warnte: Sollte Chauvin davonkommen, könne es wieder zu Protesten kommen. „Ich hasse Krawalle, aber manchmal ist das die einzige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen.“ mmä/afp