Peking – Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Die zweitgrößte Volkswirtschaft wächst stark, die Exporte boomen – und vor allem hat man das Coronavirus weitgehend im Griff. Im Wettbewerb der Systeme sieht Xi Jinping seine Diktatur als überlegen an, während er westliche Demokratien nicht nur im Umgang mit der Pandemie als dysfunktional, sondern auch sonst als instabil betrachtet. „Der Osten steigt auf, während der Westen im Niedergang ist“, lautet ein beliebter Satz, der ihm zugesprochen wird. In der Großen Halle des Volkes in Peking, wo gerade der Volkskongress läuft, ist er dieser Tage häufig zu hören.
Xi Jinping berichtet von „grundlegenden Veränderungen, die seit hundert Jahren nicht mehr gesehen worden sind“. Er warnt vor „Unsicherheiten“ und ruft das Militär zu „Kampfbereitschaft“ auf – auch, um den großen Rivalen USA abzuschrecken. Fest hat der 67-Jährige die Feiern zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei im Juli im Blick. Dann will er seinen Platz neben dem Revolutionär und Staatsgründer Mao Tsetung in Chinas Geschichte einnehmen. Und im nächsten Jahr in seine dritte Amtszeit starten – beispiellos in Chinas moderner Geschichte.
Während die Welt durch die Pandemie gegen eine Rezession kämpft, strebt die Volksrepublik dieses Jahr ein Wachstum von sechs Prozent an, wie Regierungschef Li Keqiang auf der Jahrestagung ankündigte. Seine Ziele werden die knapp 3000 Delegierten heute absegnen. Manche Experten sagen sogar acht Prozent Zuwachs vorher.
Um sich wirtschaftlich und technologisch vom Ausland unabhängiger zu machen, sieht der neue Fünf-Jahres-Plan massive Investitionen in Forschung und Entwicklung vor. Nach turbulenten vier Jahren mit US-Präsident Donald Trump und dessen unberechenbaren Sanktionen gegen chinesische Tech-Konzerne will China seine Abhängigkeit von globalen Lieferketten verringern. Auch soll die Binnennachfrage gefördert werden, damit das Land weniger abhängig vom Export wird.
Gern ist von „anschaulichem Kontrast zwischen der Ordnung in China und dem Chaos im Westen“ die Rede. Zwar wurde Pekings Krisenmanagement nach dem Ausbruch des Coronavirus in Wuhan anfangs scharf kritisiert. Doch seit Ende Januar vergangenen Jahres griff man zu energischen Maßnahmen. Mit Ausgangssperren und Massentests für Millionen sowie Kontaktverfolgung und Quarantäne ist das Virus seit Sommer unter Kontrolle. China verfolgt eine strikte Null-Covid-Strategie.
Staatsmedien kommentierten, im globalen Kräftegleichgewicht „steigt das Neue auf, während das Alte absteigt“. Das militärische und strategische Gleichgewicht hat sich aber noch keineswegs entscheidend verändert. So warnt Xi Jinping in internen Reden vor den USA als der „größten Bedrohung für die Entwicklung und Sicherheit unseres Landes“. Chinas Führung bietet dem neuen Präsidenten Joe Biden zwar diplomatisch einen frischen Start in den Beziehungen an, stellt aber Bedingungen.
Zu den „roten Linien“ gehören Washingtons Unterstützung für Taiwan, das Peking als Teil der Volksrepublik ansieht, sowie Einmischung „unter dem Vorwand der Demokratie und Menschenrechte“ – womit Kritik am Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren und der Griff über Hongkong gemeint ist.
Die Gefahr eines bewaffneten Konflikts wächst. Seit Bidens Amtsantritt haben US-Kriegsschiffe ihre Einsätze um Taiwan und im umstrittenen Südchinesischen Meer verstärkt. Chinesische Kampfflieger verletzen fast täglich Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung. Chinesische Politiker warnen vor einem „ungewollten Konflikt und einem anhaltenden Krieg“ mit den USA. Mit 6,8 Prozent erhöht China seinen Militäretat wieder stark. Der mächtige General Xu Qiliang, Mitglied im Politbüro, verweist auf die sogenannte Thukydides-Falle – eine alte griechische Weisheit, wonach ein Konflikt nahezu unausweichlich ist, wenn eine aufsteigende Macht eine andere ersetzen will. ANDREAS LANDWEHR