München – Es herrscht weiterhin ein reger Briefverkehr bei CDU und CSU. Gestern Vormittag macht in der Unionsfraktion im Bundestag ein neues Schreiben die Runde, wie am Montag stammt es von Fraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Debatte um persönliche Vorteile, die mindestens zwei Bundestagsabgeordnete der Union bei der Beschaffung von Schutzausstattung in der Pandemie gesucht (und gefunden) haben, erschüttert die Parteien mit unverminderter Wucht. So schnell wie möglich will sich die Fraktion nun einen Überblick schaffen, wie groß der Schaden im schlimmsten Fall noch werden kann.
An Deutlichkeit mangelt es auch diesmal nicht, wie in dem jüngsten Brief, der an „Haltung, Anstand und Integrität“ appellierte. Die entscheidenden Punkte sind gefettet. Der erste ist das Datum. Bis Freitagabend sollen alle Fraktionsmitglieder eine Erklärung darüber abgeben, dass sie im Zusammenhang mit pandemiebezogenen Geschäften keinen persönlichen Profit erzielt haben. Die Selbstauskunft muss sich auf 2020 und 2021 beziehen und alle Geschäfte berücksichtigen, „die „direkt oder über Gesellschaften“ getätigt wurden. Gemeint sind Kauf oder Verkauf von Medizinprodukten, Schutzausstattung, Test- und Impfbedarf und das Vermitteln von Kontakten. Ganz wichtig und ebenfalls fett gedruckt: Man solle unmissverständlich erklären, dass man „keine finanziellen Vorteile“ erzielt habe.
Eine ähnliche Umfrage hatte die CSU im Landtag gestartet. Gestern teilte Fraktionschef Thomas Kreuzer mit, dass kein Abgeordneter den Angaben zufolge Provisionen oder Vergütungen erhalten hat. Der Abgeordnete Alfred Sauter, der als Anwalt einen der Masken-Verträge gegen Honorar aufsetzte, soll nun Summe und Details nennen.
Die Zeit für die Bundestagsabgeordneten ist knapp. Freitag um 18 Uhr, das ist exakt zwei Tage, bevor in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Wahllokale schließen. Der Schaden, den die Affäre um die Abgeordneten Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) angerichtet hat, ist bereits jetzt verheerend. Mit dem Schreiben versuchen Brinkhaus und Dobrindt, sowohl intern sich einen Überblick zu verschaffen, was da noch an Ungemach auf die Union zukommen könnte, als auch nach außen zu vermitteln, dass man sich um Aufklärung bemüht. Auch wenn die Fakten, die auf den Tisch kommen sollen, unangenehm sein könnten.
Für den Fall, „dass diese Erklärung nicht abgegeben werden kann“, soll sich ein Abgeordneter direkt an einen der Parlamentarischen Geschäftsführer wenden. Das wäre das Szenario, das die Union am meisten fürchtet, das sie aber nicht auszuschließen wagt. Schon jetzt wähnen sich einige in trübe Zeiten zurückversetzt. Vizefraktionschefin Gitta Connemann (CDU) beklagte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gestern, man befinde sich „in der schwersten Krise seit der Spendenaffäre“. Die kochte Ende 1999 hoch und kostete Helmut Kohl letztlich den CDU-Ehrenvorsitz.
Unter diesen Umständen in eine Wahl zu ziehen, ist besonders undankbar. Christian Baldauf, Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, beklagte in der „Rheinischen Post“ den Schaden, den die Affäre für die Wahlkämpfer anrichte: „Rückenwind ist das nicht – eine solche Affäre auf den letzten Metern braucht kein Mensch“. MARC BEYER