„Der Damm ist gebrochen“

von Redaktion

SPD-Politiker Florian Pronold über die jüngsten Affären und die Grenzen zulässigen Lobbyings

München – Florian Pronold sitzt für die SPD im Bundestag und ist Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium. Auf der Seite glaeserner-abgeordneter.de veröffentlicht er seit fast 20 Jahren seine Einkünfte, Nebentätigkeiten und Ausgaben.

Wie viele Maskenhersteller sind in den letzten zwölf Monaten auf Sie zugekommen?

Auf mich keiner. Ich weiß aber, dass in der Zeit, wo bei den Masken wirklich Not herrschte, viele Kollegen angesprochen worden sind. Von Leuten, die helfen wollten, oder Firmen, die ihre Produktion umgestellt haben. Das ist auch völlig in Ordnung. Ich halte es als Abgeordneter nicht nur beim Thema Masken für selbstverständlich, Unternehmen zu unterstützen. Nur was man nicht machen darf: dabei kassieren. In der größten Nachkriegskrise Deutschlands kann man nicht auch noch versuchen, aus der Not so vieler Menschen ein Geschäft zu machen.

Wo sind die Grenzen zulässigen Lobbyings? Wie geht man mit Kontakten um?

Erst mal hört man sich das an. Dann kommt es darauf an, was der Unternehmer will. Wenn er zum Beispiel Masken produzieren will – und so war es ja oft in der Zeit der größten Not –, würde ich einen Brief ans entsprechende Ministerium schreiben. Ich halte das für vollkommen berechtigt, wenn ein Unternehmen etwas Interessantes macht. Es beginnt, dort schwierig zu werden, wo ich von dem Unternehmen in irgendeiner Form eine Gegenleistung bekomme. Das war so bei dem Beispiel Amthor…

… der für ein Unternehmen lobbyierte und dafür Aktienoptionen erhielt.

Nach den geltenden Regeln ist das nicht verboten. Aber Anstand und Moral sprechen dagegen. Wenn ich selber eine Gewinnabsicht habe, kann ich über die Firma doch nicht unbefangen sagen: Hey, ich find’ die einfach gut. Da verläuft die Grenze. Natürlich gibt es auch Grauzonen, zum Beispiel bei Spenden. Niemals darf dort der Eindruck entstehen, dass eine Spende eine Gegenleistung für die Tätigkeit eines Abgeordneten ist.

Schlägt Ihnen heute mehr Misstrauen entgegen?

Das ist immer gleich groß. Es heißt oft „Die Politiker sind alle so“. Das ist schade, weil ich beim ganz, ganz großen Teil der Meinung bin, dass sie nicht so sind. Natürlich gibt es in Union und FDP strukturell viel mehr Nebentätigkeiten und viel höhere Einkommen. Da ist eine größere Nähe zur Wirtschaft. Und da scheint es auch so zu sein, dass die Grenze oft überschritten wird. Es war ja vor allem die Union, die in den letzten Jahren mehr Transparenz verhindert hat. Jetzt ist der Damm gebrochen.

Und umgekehrt: Misstrauen Sie Kollegen mehr?

Nein. Wenn Sie mich allerdings vor sechs Wochen nach den zwei jetzt bekannten Fällen gefragt hätten, dann hätte ich gesagt: Kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin nicht naiv, aber ich hätte gedacht, dass so eine Abkassier-Mentalität bei so einem Thema nicht vorkommen kann.

Wie reagieren die Menschen darauf, dass Sie so gläsern auftreten?

Die Leute finden das gut. Ich finde, sie haben ein Recht, Abgeordnete kontrollieren zu können. Wer ein öffentliches Amt hat, muss größtmögliche Transparenz zeigen.

Die Zahlen für 2020 stehen noch aus.

Ich synchronisiere das immer mit der Steuererklärung. Die hat etwas Verzug, weil mein Steuerberater wie alle anderen mit Corona-Hilfen beschäftigt war.

Interview: Marc Beyer

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