Plan gegen Parallelgesellschaften

von Redaktion

Dänemark will Anteil „nicht-westlicher“ Einwohner begrenzen

Kopenhagen – 2019 gelang Dänemarks Sozialdemokraten, wovon befreundete Parteien in Europa mitunter nur noch träumen können. Sie wurden bei den Wahlen stärkste Kraft und stellen seither die Regierung. Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel empfahl damals, sich an den Genossen im Norden zu orientieren. Mette Frederiksen, Parteichefin und inzwischen Ministerpräsidentin, hatte ihre Partei komplett umgekrempelt: sozialpolitisch links, in der Migrationspolitik dagegen, wie Gabriel schrieb, „robust“.

Was das bedeutet, lässt sich am neuesten Plan der Regierungs ablesen: Sie will den Anteil „nicht-westlicher“ Einwohner in Stadtvierteln auf 30 Prozent begrenzen, bis in spätestens zehn Jahren. Das war schon ein Projekt der bürgerlich-rechten Vorgängerregierung, die sich aber mit 50 Prozent bis 2030 begnügte. Innenminister Kaare Dybvad Bek begründete die Verschärfung damit, dass zu viele Menschen aus nicht-westlichen Ländern das „Risiko einer religiösen und kulturellen Parallelgesellschaft“ erhöhten. Er meint vor allem Muslime.

Die Regierung hat in erster Linie Problemviertel im Blick, die in Dänemark bislang „Gettos“ genannt werden. Derzeit gibt es 15 solcher Gegenden, Ende 2017 waren es noch 22. Um als Getto klassifiziert zu werden, müssen mehrere Bedingungen gegeben sein: Die Gebiete müssen mehr als 1000 Bewohner haben und bestimmte Kriterien erfüllen, etwa eine hohe Arbeitslosenzahl, eine hohe Zahl von Bewohnern mit nicht-westlichem Hintergrund, eine hohe Kriminalitätsrate sowie ein niedriges Ausbildungs- und Einkommensniveau.

Die Klassifizierung löste bei ihrer Einführung viel Kritik aus. Kritiker mahnten, sie stigmatisiere bestimmte Viertel und führe dazu, dass Bessergestellte wegzögen. Schon die Vorgängerregierung hat für die Gettos bestimmte Gesetze erlassen. Straftaten wie Drogenverkauf oder Vandalismus werden in Problemvierteln zum Beispiel doppelt so hart bestraft wie in besseren Wohngegenden. Für gewalttätige Übergriffe in Familien, etwa gegen Töchter, gilt dasselbe. Dem Wohnungsministerium wurde es rechtlich erleichtert, Problem-Siedlungen bis 2026 abzureißen. Bewohnern sollen neue Wohnungen mit besserer Integrationsumgebung angeboten werden. Auch die Sprachkenntnisse sind ein Kriterium. Kinder werden erst zur ersten Klasse zugelassen, wenn die Kenntnisse solide sind. Den Begriff „Gettogebiet“ wollen die Sozialdemokraten allerdings abschaffen.

Wie die Begrenzung „nicht-westlicher“ Bewohner auf 30 Prozent je Wohnviertel praktisch zu erreichen ist, ist bislang unklar. Letztlich müsste es gigantische Staatsausgaben für neuen Wohnungsbau geben. Es würde den Zwangsumzug tausender sozial schwacher Menschen bedeuten. Gerade weil sie arm sind, wohnen sie in Wohngegenden mit den niedrigsten Mietpreisen. ANDRÉ ANWAR

Artikel 10 von 11