München – Karl Lauterbach beschönigt nichts. Das weiß man schon seit Beginn der Pandemie – immer wieder ruft der SPD-Politiker nach einem strengen Corona-Kurs. Und auch jetzt fordert Lauterbach: „Man kann es drehen, wie man will. Wir müssen zurück in den Lockdown.“
Möglicherweise wurde der Gesundheitsexperte deshalb zur wöchentlichen Bundespressekonferenz eingeladen – Schulter an Schulter mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Vizepräsident Lars Schaade verkündigt Karl Lauterbach die schlechte Nachricht des Tages: Entweder jetzt ein „schneller und harter Lockdown“ – oder der jetzige verzögere sich immer weiter. „Und dann steigen auch die Todeszahlen.“
Der gemeinsame Auftritt von Spahn und Lauterbach ist kalkuliert. Hier der Gesundheitsminister, der immer mehr in Kritik gerät. Da der Politiker, der wegen seiner harten Linie zwar schon oft zur Zielscheibe von Vorwürfen wurde – aber jetzt auch viele Fans für sich gewinnt. Im Netz haben zuletzt mehrere Nutzer mit dem Hashtag #WirWollenKarl gefordert, dass Lauterbach den Posten des Gesundheitsministers übernehmen soll. „Wer weiß“, antwortet Spahn auf die Frage eines Journalisten, ob Lauterbach nicht besser für den Job geeignet sei. „Vielleicht wird er ja noch Gesundheitsminister.“
Jetzt gehe es aber darum, gemeinsam gegen die Pandemie zu kämpfen – „über Parteigrenzen hinweg“, betont Spahn. „Die steigenden Fallzahlen können bedeuten, dass wir in den kommenden Wochen keine Öffnungsschritte mehr gehen können“, sagt er. „Sondern eher Schritte zurück.“ Am Montag beraten Bund und Länder über schärfere Maßnahmen.
„Denn zur ehrlichen Lageanalyse gehört: Es gibt in Europa noch nicht genug Impfstoff, um die dritte Welle durch Impfungen zu stoppen“, so Spahn. Es werde einige Wochen dauern, bis die Risikogruppen geimpft sind. Lars Schaade, Vizechef des Robert-Koch-Instituts, ist pessimistisch. „Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen steigt wieder an“, sagt er. „Und auch die Zahl der Todesfälle ist immer noch zu hoch.“ Das RKI meldete zuletzt mehr als 17 000 Neuinfektionen und 226 Todesfälle binnen eines Tages. Etwa drei Viertel aller Neuinfektionen gingen auf die besonders ansteckende britische Virusvariante B.1.1.7 zurück. Schaade: „Uns stehen leider wieder schwere Wochen bevor.“
Lauterbach, selbst Arzt, schätzt: Entwickelt sich die Lage weiter wie bisher, dann liege die Inzidenz bis Mitte April bei 200. Neben härteren Maßnahmen müsse man „so viele Erstimpfungen durchführen wie möglich“, rät er. Es sei wichtiger, Risikogruppen zumindest mit der ersten Dosis zu schützen, als Impfstoff für Zweitdosen zu lagern. Er begrüßte außerdem die Wiederaufnahme der Impfungen mit Astrazeneca, nachdem Gesundheitsminister Spahn sie ausgesetzt hatte. „Es ist ja bekannt, dass ich die Entscheidung anders getroffen hätte“, sagte er. „Ich bin einfach froh, dass wir jetzt weitermachen.“
Spahn verteidigte den vorübergehenden Impfstopp – es gehe dabei nicht um eine Abwägung, die man in fünf Minuten trifft. Mehr Tempo wünscht er sich jetzt für Impfungen beim Hausarzt. „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir früher in den Hausarztpraxen beginnen könnten“, sagt er. Bislang ist von den Ländern geplant, dass die Hausärzte spätestens ab 19. April einbezogen werden.
KATHRIN BRAUN