MIKE SCHIER
Die überflüssigste Bemerkung dieser Tage kam mal wieder von Saskia Esken. Sie habe ja Verständnis für die „Frühlingsgefühle“ der Menschen, twitterte die SPD-Chefin am Wochenende, aber ein schärferer Lockdown müsse leider sein. Möglich, dass außer Esken auch andere Menschen bei 0 Grad und Schneegriesel Frühlingsgefühle entwickeln – aber ein Jahr Corona hat viele Bürger eher an den Rand der Verzweiflung gebracht. Und manche Politiker, die ihr Einkommen sicher haben, trotz Lockdowns nach Berlin pendeln oder zu irgendwelchen Talkshows fahren, scheinen das nicht verstehen zu wollen.
Der wachsende Frust spiegelt sich auch in den immer kontroverseren Debatten um die Maßnahmen wider – sogar in der CSU leisten sich manche inzwischen eine andere Meinung als Markus Söder. Der Unmut auch beim gestrigen Bund-Länder-Gipfel entlädt sich, weil man am Beginn der dritten Welle kaum weiter ist als zu Beginn der zweiten: zu wenig Impfstoff, zu wenige Schnelltests und zu wenig Erkenntnis, wo sich die Menschen überhaupt anstecken. Deshalb wird wieder ab Inzidenz xy wahllos zugemacht, auch wenn man bezweifeln darf, dass sich viele in Museen, Tierparks oder Läden infizieren, solange Hygienekonzepte eingehalten werden. Und nicht mal Geimpfte sollen mit der Familie Ostern feiern!
Zur Wahrheit gehört: Auch den meisten anderen Ländern Europas fällt nicht mehr ein, als hilflos zwischen den verschiedenen Lockdown-Stufen zu pendeln. Doch in Deutschland bricht sich nun auch der Frust der Bundesländer über Berlin Bahn. Etliche Landesregierungen müssen sich dieses Jahr zur Wahl stellen, während sich die Kanzlerin nur dem Kampf gegen Corona verpflichtet fühlt. Gemeinsame Linien sind da kaum noch möglich.
Mike.Schier@ovb.net