Berlin – Bei den Corona-Impfungen in Deutschland kommt eine neue vorsorgliche Altersbeschränkung für das Mittel von Astrazeneca. Das Präparat solle ab heute in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden, beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern gestern Abend. Unter 60-Jährige sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ aber weiterhin damit impfen lassen können. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen. Erst Mitte März waren Astrazeneca-Impfungen nach einer einige Tage langen Impfpause und neuen Überprüfungen wieder angelaufen.
Derzeit laufen generell Impfungen in den ersten beiden Prioritätsgruppen, zu denen – bezogen auf das Lebensalter – Menschen ab 70 Jahre gehören.
Zuvor hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine entsprechende Altersbeschränkung für Astrazeneca empfohlen. Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und einige Kommunen hatten Astrazeneca-Impfungen bereits für unter 60-Jährige ausgesetzt. In Deutschland sind bisher 31 Fälle solcher Blutgerinnsel nach Impfungen mit Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut berichtete.
Jüngere Menschen unter 60, die schon die erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, haben laut dem Beschluss zwei Möglichkeiten: Sie können auch die Zweitimpfung von Astrazeneca bekommen, nach Rücksprache mit dem Arzt, „sorgfältiger Aufklärung“ und „individueller Risikoanalyse“. Zweite Option: Die Betroffenen warten auf eine Stiko-Empfehlung zur Zweitimpfung, die voraussichtlich bis Ende April vorlegen soll.
Die ersten Zweitimpfungen mit Astrazeneca sind laut Stiko nach der empfohlenen Wartezeit von zwölf Wochen und dem Impfstart des Vakzins im Februar für Anfang Mai vorgesehen. Laut Gesundheitsministerkonferenz prüft die Kommission, ob eine weitere Impfung mit einem anderen Impfstoff eine mögliche Option ist. In jedem Fall werde sichergestellt, dass alle Zugang „zu einem Impfschema mit in der EU zugelassenen Impfstoffen haben werden, um eine volle Schutzwirkung zu erreichen“. Kanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) berieten am späten Abend mit den Ministerpräsidenten der Länder über die neue Situation (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet).
.Der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner, sieht das vorläufige Aussetzen der Astrazeneca-Impfungen für unter 60-Jährige als nachvollziehbaren Schritt. „Wenn man auf ganz sicher gehen will – und das wollen wir in Deutschland –dann ist das jetzt die richtige Entscheidung“, sagte Spinner. Allerdings plädierte der Oberarzt am Universitätsklinikum dafür, jüngeren Menschen die Entscheidungshoheit zu geben, ob sie den Impfstoff wollen oder nicht.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nannte die neue Einschätzung dennoch eine „niederschmetternde Nachricht“. Für München bedeute die veränderte Einschätzung „den faktischen Stillstand der Corona-Impfungen“, sagte Reiter. So mussten beispielsweise die fest eingeplanten Impfungen des gesamten Erziehungs- und Lehrpersonals sofort gestoppt werden.