Astrazeneca: Ein Land plant um

von Redaktion

VON J. RATZSCH, S. MEYER, E. RICHTER UND S. HORSCH

München/Berlin – Am Tag nach dem nächsten Dämpfer gilt es, den Schaden einzuschätzen. Welche Folgen wird die neue Astrazeneca-Altersbeschränkung für die deutsche Impfkampagne haben? Die Urteile fallen am Mittwoch unterschiedlich aus. Während der Deutsche Lehrerverband einen „katastrophalen Rückschlag für die gerade Fahrt aufnehmende Impfung von Lehrkräften“ befürchtet, erwartet SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach nur „eine kleine Delle von ein paar Tagen“.

Am Dienstagabend hatten Bund und Länder nach einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) beschlossen, Astrazeneca in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahre einzusetzen. Jüngere sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin mit dem Vakzin impfen lassen können, das erst Mitte März nach einer tagelangen Impfpause und neuen Überprüfungen wieder angelaufen war. Hintergrund sind auch diesmal wieder Fälle von gefährlichen Blutgerinnseln. Stand Montag gab es 31 Verdachtsfälle. In neun war der Ausgang tödlich – bei mehr als 2,8 Millionen Geimpften.

Blickt man auf die Liefermengen für das gesamte Jahr, spielt die Einschränkung keine große Rolle. Doch im Wettlauf mit den Virusvarianten kommt es aufs Tempo an. Und Astrazeneca will von April bis Juni bis zu 15 Millionen Dosen liefern – ein erheblicher Anteil in dieser Impfphase.

Klar ist, dass nun jede Menge umorganisiert werden muss. Denn nicht nur in den Impfzentren war Astrazeneca fest für die Impfung Jüngerer eingeplant. Auch in einigen der gerade erst eingestiegenen bayerischen Arztpraxen wurde gestern eifrig telefoniert, um neue Impfwillige im richtigen Alter zu finden. Auch die Bundesregierung bat die Bürger um Verständnis, dass nun einiges neu austariert werden muss – etwa die Lieferungen für die Zeit nach Ostern.

Erste Maßnahmen wurden bereits getroffen. Die Länder können nun entscheiden, ob sie schon jetzt 60- bis 69-Jährige zu Impfungen mit Astrazeneca einladen. Eine Möglichkeit, die Nordrhein-Westfalen direkt ergreift. Dort können Menschen ab 60 von diesem Samstag an Termine für Impfungen mit Astrazeneca buchen. Berlin und Rheinland-Pfalz planen ebenfalls in diese Richtung. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kündigt am Mittwoch an: „Wir setzen das um.“ Ab wann genau sich die 60- bis 69-Jährigen mit Astrazeneca impfen lassen können und wo – in den Impfzentren und/oder beim Hausarzt – konnte das Ministerium aber zunächst nicht sagen.

Auch darüber hinaus sind gestern im Freistaat noch viele Fragen offen. Ohne die neuen Regelungen hätten sämtliche impfwilligen Beamten ihre erste Spritze bis Mitte April erhalten. Wie es nun mit den Impfungen der Polizeikräfte weitergeht, blieb zunächst ebenso offen wie bei den Erzieherinnen und Erziehern sowie den Lehrkräften an Grund- und Förderschulen. Auch sie können sich bevorzugt impfen lassen – haben allerdings bislang zumeist Astrazeneca erhalten. In einigen Regionen fanden bereits vereinbarte Termine zunächst unter Einsatz eines anderen Impfstoffs statt, andernorts wurden für Astrazeneca eingeplante Menschen wieder nach Hause geschickt. Zunächst ungeklärt blieb auch, wie bei denjenigen vorgegangen wird, bei denen die Zweitimpfung mit Astrazeneca noch aussteht.

Anders als Deutschland rät die EU-Arzneimittelbehörde EMA übrigens bisher nicht zu Einschränkungen bei der Anwendung des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca. Die Überprüfung von neuen Hinweisen auf Blutgerinnsel laufe noch.

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