Kretschmann macht es spannend

von Redaktion

VON HENNING OTTE

Stuttgart – Die Grünen in Baden-Württemberg wollen sich an diesem Donnerstag mit ihren potenziellen Koalitionspartnern der Öffentlichkeit präsentieren. Die grüne Verhandlungsgruppe um Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte noch gestern darüber entscheiden, ob sie den Gremien der Partei eine Neuauflage der Koalition mit der CDU oder ein Ampelbündnis mit SPD und FDP empfehlen soll. Bis zum späten Abend tagte die Runde aber noch. Die offizielle Entscheidung trifft der Landesvorstand nun am Donnerstag, einen Tag später als geplant.

Die Wahlsieger um Kretschmann haben bisher nicht erkennen lassen, ob sie weiter mit der CDU regieren oder lieber zu einem Dreierbündnis wechseln wollen. Vor der Sondierung hatte es in Landesvorstand und Fraktion dem Vernehmen nach eine Tendenz zur Ampel gegeben. Nach den Sitzungen am Dienstag war das Stimmungsbild uneinheitlicher, hieß es. Es wäre die erste grün-geführte Ampel-Koalition bundesweit und ein Signal für den Bund, wo es nach Umfragen ebenfalls für ein Bündnis unter Führung der Ökopartei reichen könnte.

Der Landesvorstand werde sich am Donnerstag um acht Uhr digital zusammenschalten und über die Empfehlung des Verhandlungsteams um Kretschmann entscheiden, teilte die Partei in Stuttgart mit. Anschließend werde die Landtagsfraktion informiert. Danach werde sich das Sondierungsteam mit den potenziellen Koalitionspartnern treffen. Gegen 15 Uhr soll es ein Pressestatement geben.

Die Spitze der Südwest-Grünen hatte am Mittwochvormittag ihre Beratungen darüber begonnen, mit wem sie Koalitionsgespräche aufnehmen will. Weder die Grünen-Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand noch der Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz wollten sich beim Eintreffen am Staatsministerium zu ihren Erwartungen äußern. Mit dabei ist auch Finanzministerin Edith Sitzmann.

Zuletzt hatte es geheißen, Kretschmann sei in der Frage der künftigen Koalition auch der jeweilige Corona-Kurs wichtig. Die CDU hatte den eher vorsichtigen Kurs zuletzt weitgehend mitgetragen, auch wenn Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann beim Thema Schulöffnungen deutlich offensiver war als Kretschmann. Die Liberalen um Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatten dagegen bei sinkenden Infektionszahlen auf eine schnelle Aufhebung des monatelangen Lockdowns und eine flächendeckende Öffnung des Handels gedrungen.

Für Frank Brettschneider ist die Entscheidung schon so gut wie gefallen. Der Stuttgarter Parteienforscher rechnet trotz aller geäußerten Tendenzen zur „Ampel“ nach wie vor nicht mit einer grün-rot-gelben Regierungskoalition. Die sei für ihn „eine Überraschung“, sagte der Professor der Universität Stuttgart-Hohenheim. Thematisch gebe es zwar weder bei Grün-Schwarz noch bei einer Ampel unüberbrückbare Hindernisse. Aber bei einer grün-schwarzen Koalition stünden nach dem Abschied von Eisenmann auch Personalentscheidungen nicht mehr im Wege. „In einer Ampel wäre Kretschmann hingegen früher oder später der Schlichter zwischen den Fraktionschefs von FDP und SPD, Hans-Ulrich Rülke und Andreas Stoch“, sagte Brettschneider.

Außerdem sei die Distanz der FDP zu den Anhängern der Grünen nach wie vor sehr groß. „In der Wählerschaft gibt es insgesamt eher eine Sympathie für Grün-Schwarz. Eine Wechselstimmung nehmen wir nicht wahr.“ Und während FDP und CDU beim Thema Klimaschutz nicht weit voneinander entfernt seien, sei eine verlässliche Zusammenarbeit in der Corona-Politik mit der CDU unproblematischer als mit den Liberalen. Hinzu komme, dass die Grünen in einer Zweierkoalition mehr zu sagen hätten, sagte Brettschneider. „Man muss den Kuchen dann nur mit einem Partner teilen, nicht mit zwei anderen.“

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