Der unbeugsame Kirchen-Rebell

von Redaktion

Theologe Hans Küng im Alter von 93 Jahren in Tübingen gestorben – Kritiker der Päpste

Tübingen – Bis zuletzt hatte Hans Küng, einer der bedeutendesten Theologen der Welt, auf Reformen in der katholischen Kirche gehofft. Doch sein Wunsch blieb unerfüllt: Gestern Mittag starb der gebürtige Schweizer im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen. Der Kirchenkritiker, der unter anderem die Unfehlbarkeit des Papstes angezweifelt hatte, hat sein Leben lang für ein zeitgemäßes Christentum geworben.

Der Universalgelehrte, dem seine Rolle als Rebell in der katholischen Kirche gefiel, war eine Galionsfigur für Generationen von reformorientierten Katholiken. Hans Küng war auch der wichtigste Gegenspieler von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. Noch in den 1960-er Jahren waren sie Kollegen an der katholischen Fakultät in Tübingen, beide kannten und schätzten sich als Berater während des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Aber während der feinsinnige Ratzinger Kirchenkarriere machte, entwickelte sich Küng immer mehr zum Kirchenkritiker. Längst gab es in Rom eine umfassende „Akte Küng“, als sich der Streit zuspitzte und Papst Johannes Paul II. ihm 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entziehen ließ. Mundtot aber machte das Hans Küng keinesfalls. Die Uni Tübingen schuf für ihn eigens einen Lehrstuhl für ökumenische Theologie. Küng wurde zu einem der wichtigsten Vordenker der Verständigung zwischen Christen, Juden und Muslimen. Seine Bücher erreichten Millionen-Auflagen.

Auch wegen der 1995 begründeten „Stiftung Weltethos“ blieb er ein weltweit respektierter Gesprächspartner für Wirtschaftsführer und Politiker – und bis hin zum UN-Generalsekretär eine Autorität für Wertefragen. Küngs Ringen um ein „Weltethos“ traf den Nerv der Zeit. Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 weiß jeder, dass es stimmt, dass es „keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden“ geben wird.

Und immer wieder gab es Auseinandersetzungen mit seinem Gegenpart Ratzinger. „Der Papst lässt mich nicht los, und ich lasse den Papst nicht los“, bekannte Küng einmal. Als es im Jahr 2005 zu einem unerwarteten, vierstündigen Treffen mit Papst Benedikt XVI. in Rom kam, hofften manche Küng-Anhänger auf eine kirchliche Rehabilitierung des streitbaren Geistes. Doch auch das erfüllte sich nicht. 2010, als der Missbrauchsskandal die katholische Kirche erschütterte, schrieb Küng in einem Brief an die Bischöfe, sie dürften nicht wie „Statisten ohne Recht und Stimme wirken“. Es sei dringend nötig, dass Reformen in der Kirche notfalls gegen den Willen des Papstes angeschoben würden. Zuletzt lebte er zurückgezogen in Tübingen, eine Parkinson-Erkrankung schwächte ihn zusehends. Angst vor dem Tod hatte er nicht: „Ich bin neugierig, was im Jenseits sein wird.“ cm/kna/dpa

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