Es ist ein echtes Ärgernis. Auch im Jahr zwei der Pandemie bekommt es die deutsche Bürokratie nicht auf die Reihe, verlässliche Corona-Zahlen an das Robert-Koch-Institut zu melden. Nach der offenbar weit verbreiteten Osterruhe gab es am Samstag mal wieder für München eine Blamage: Einen einzigen Fall meldete das RKI – die Inzidenz fiel auf 94,4, gestern schnellte sie auf 126,9. Bundesweit liegt der Wert aktuell auf dem Niveau von Ende März, was ja bei exponentiellem Wachstum eigentlich nicht sein kann. Kurz: Man stochert im Nebel.
Wer allein auf einer solchen Datenbasis einschneidende Maßnahmen anordnet, darf sich nicht wundern, wenn viele Bürger nur noch die Augen verdrehen. Inzwischen schimpfen sogar jene, die ein viel schärferes Vorgehen gegen die dritte Welle fordern. Denn es gäbe härtere Währungen: die Altersstruktur der Erkrankten, die Lage auf den Intensivstationen, die Zahl der Toten. Dagegen vernachlässigt die reine Statistik der Neuinfektionen die veränderten Krankheitsverläufe durch Mutationen. Und je weiter die Impfungen voranschreiten (und das tun sie Gott sei Dank), desto weniger schwere Verläufe wird es geben. Damit ändern sich die Spielregeln: Womöglich können wir bald etwas höhere Inzidenzen verkraften.
Doch über solche Fragen diskutiert die Politik nicht mal. Stattdessen streitet man, ob die Notbremse über 100 vom Bund oder den Ländern durchgedrückt wird. Den meisten Bürgern dürfte das egal sein.
Mike.Schier@ovb.net