Mord aus religiösem Hass

von Redaktion

Dresden – Der Streifenpolizist erinnert sich noch eindrücklich an den schrecklichen Moment, in dem er den Tatort in der Dresdner Innenstadt erreichte: zwei schwer verletzte Männer und eine große Blutlache. Der ältere der beiden, ein 55 Jahre alter Mann aus Krefeld, hat keine Chance. Er verblutet. Das jüngere der beiden Opfer, ein 53-Jähriger ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen, überlebt schwer verletzt.

Die Schilderung des Beamten ist am Montag eine der ersten Zeugenaussagen im Prozess am Oberlandesgericht (OLG) Dresden. Angeklagt ist ein 21 Jahre alter Syrer, der sich für Mord, versuchten Mord und schwere Körperverletzung verantworten muss. Er hielt die beiden Männer für ein homosexuelles Paar und wollte sie für diese „schwere Sünde“ mit dem Tode bestrafen, so die Bundesanwaltschaft.

Der Angeklagte selbst schweigt vor dem Staatsschutzsenat, den er laut seinem Anwalt als „weltliches Gericht“ ablehnt. Doch in der Untersuchungshaft äußert er sich gegenüber einem forensischen Psychiater zur Tat und zu seinen Motiven. Er stammt demnach aus Aleppo, wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf und kommt 2015 als Flüchtling nach Deutschland. 2018 wird er vom OLG Dresden wegen Werbung für das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) zu einer Jugendstrafe verurteilt. Die wird nach Angriffen auf Beamte im Gefängnis erhöht. Ende September 2020 wird er entlassen. Am 4. Oktober greift er in Dresden die beiden Touristen an. Knapp drei Wochen später wird der damals 20-Jährige gefasst.

Laut seiner Schilderung gegenüber dem Gutachter trägt er sich schon vor seiner Entlassung mit dem Gedanken, seiner Meinung nach Ungläubige zu töten. Er bezieht sich dabei auf Verse aus dem Koran. Am Tag der Tat betet er erst in der Moschee. Dann hört er sich eine Predigt und religiöse Lieder an. Am Abend fährt er mit der Bahn in die Dresdner Innenstadt, mit zwei Messern bewaffnet und auf der Suche nach Opfern.

Erst hatte er ein Pärchen im Visier, später folgte er einem einzelnen Mann. Die beiden Touristen sind für ihn, so formuliert es die Bundesanwaltschaft, „Repräsentanten einer von ihm als „ungläubig“ abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung“. Dem Gutachter sagt der Angeklagte, die beiden Männer hätten sich an den Händen gehalten. Homosexuelle dürfe man als Feinde Gottes töten.

Kurz vor dem Angriff sollen dem Mann nach eigenem Bekunden noch einmal Zweifel gekommen sein. Doch durch einen Schwur gegenüber Gott habe er sich verpflichtet gefühlt, die Tat auszuführen, sagt er dem Gutachter. Er attackiert die Männer von hinten, sticht ihnen in den unteren Rücken und flüchtet.

Dem Gutachter gegenüber zeigt sich der 21-Jährige „auf irritierende Weise selbstkritisch“. Er habe zwar zugestochen, aber „nicht mit dem Herzen“ gehandelt. Er sei auch zu schwach gewesen, seinen Plan vollständig auszuführen und den „Märtyrertod“ zu sterben.

Für den Verteidiger geht es im weiteren Prozess nur noch darum, ob Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Viel spreche aber nicht dafür, sagt er. Die Tat sei gegenüber dem Gutachter gestanden. Die Frage nach Reue stelle sich für den Angeklagten nicht. Er habe aus religiösen Motiven gehandelt und sei überzeugt, das Richtige getan zu haben.

Gegenüber dem Gutachter bejaht der Angeklagte auch die Frage, ob er eine solche Tat wieder tun würde. Einen Fehler sehe er lediglich darin, dem IS keinen Treueschwur geleistet zu haben.

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