München/Düsseldorf – Der unionsinterne Streit um die Kanzlerkandidatur steuert auf ein konfrontatives Finale zu. CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder sind seit Tagen in Verhandlungen, berichten Beteiligte aus Unionskreisen. Es seiens sogar „gute Gespräche“. Doch ob eine Entscheidung am heutigen Samstag fällt oder erst in der Unionsfraktion am Dienstag erzwungen werden muss, ist völlig offen.
In der CDU positionierten sich mehrere führende Politiker, manche davon anders als bisher. „Ich bin für Herrn Laschet“, bekräftigte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Für die Entscheidung, wer Kanzlerkandidat der Union werde, könnten nicht Meinungsumfragen ausschlaggebend sein. Die Union könne „ohne eine starke vitale CDU schlecht Wahlen gewinnen“, sagte er.
Dagegen betonte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) – wie Söder und wie am Vortag auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) – die Bedeutung von Umfragen. „Es ist völlig klar, dass die Frage, mit welcher Person man die besseren Chancen bei den Wahlen hat, eine zentrale Rolle spielen muss“, sagte Hans der „Welt“. Umfrage-Ergebnisse alleine sollten nicht im Vordergrund stehen. „Aber sie geben schon einen wichtigen Hinweis darauf, wie man sich im Wahlkampf aufzustellen hat.“
In der Fraktion sammeln Bundestagsabgeordnete Unterschriften, um die K-Frage notfalls am Dienstag per Abstimmung zu klären. Der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Gunther Krichbaum, der eine Liste solcher Abgeordneter organisiert, sagte, ein Votum sei „nur der Plan B, falls die beiden Vorsitzenden keine Entscheidung finden könnten“. Zur Anzahl der Unterschriften wollte sich Krichbaum nicht äußern. Er gilt als Unterstützer von Söder. In der vergangenen Woche kursierte eine ähnliche Liste von etwa 70 CDU-Abgeordneten.
Am Dienstag hatten Laschet und Söder nach einer rund vierstündigen Beratung in der Unionsfraktion mitgeteilt, dass sie bis Ende der Woche eine Entscheidung für die festgefahrene K-Frage präsentieren wollen. Während Söder und seine Unterstützer aus den Reihen von CSU und CDU auf die aktuellen, für ihn sehr positiven Umfragen verweisen, betonte Laschet immer wieder, Umfragen könnten sich sehr schnell ändern. Zumindest am Freitag war dies aber noch nicht der Fall. Derzeit halten 44 Prozent der Bundesbürger und 72 Prozent der Unions-Anhänger den Bayern Söder für den geeigneteren Kandidaten, um die Unionsparteien in die Bundestagswahl zu führen, wie der von Infratest dimap erhobene Deutschlandtrend des ARD-„Morgenmagazins“ ergab.
Im ZDF-Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen hat Söder ebenfalls weiter die klar besseren Werte: Den CSU-Vorsitzenden halten 63 Prozent aller Befragten und 84 Prozent der CDU/CSU-Anhänger für kanzlertauglich (nein: 31 Prozent bzw. 12 Prozent). Armin Laschet trauen das Amt nur 29 Prozent zu und in den eigenen Reihen 43 Prozent (nein: 61 Prozent bzw. 49 Prozent). Er liegt damit auch hinter SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, dem in der Umfrage 37 Prozent aller Befragten die Eignung als Kanzler attestieren (nein: 53 Prozent) und der in den eigenen Reihen sogar auf 76 Prozent kommt.
Interessant erscheint in der ZDF-Umfrage, dass die Union trotz des Machtkampfes um die Kanzlerkandidatur in der Gunst der Befragten wieder steigt. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen CDU und CSU auf 31 Prozent (plus 3), die SPD könnte mit 14 Prozent (minus 1) rechnen, die AfD mit 11 Prozent (minus 1), die FDP mit 9 Prozent und die Linke mit 7 Prozent, beide unverändert. Die Grünen müssten mit 21 Prozent zwei Punkte abgeben. Gibt es eine Art Söder-Bonus für die gesamte Union? In München bemüht man sich um diese Deutung.
Aus einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa für „Bild geht hervor, dass die Union bei der Bundestagswahl im September mit einem Kanzlerkandidaten Laschet mit 27 Prozent der Stimmen rechnen dürfte, mit Söder seien es 38 Prozent.