Arnsberg – Am Ende sagt Friedrich Merz einen Satz wie ein Stoßseufzer. „Es tut ganz gut, mal wieder eine Abstimmung zu gewinnen.“ Zweimal hat er spektakulär verloren in den letzten Monaten bei seinen Versuchen, auf die große Bühne der Bundespolitik zurückzukehren. Gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, dann gegen Armin Laschet wurde er jeweils nicht CDU-Vorsitzender. Jetzt holt er 72 Prozent bei seinem Kampf um ein Bundestagsmandat: Mit dieser Mehrheit schickt ihn die CDU im Hochsauerlandkreis für den Herbst ins Rennen.
Damit hat der Frontmann des konservativen Lagers nun allerbeste Chancen, auf die Berliner Bühne zurückzukehren. Bislang gingen die Direktmandate hier stets an die CDU-Vertreter. Merz dürfte ein unbequemer Geist in der nächsten Bundestagsfraktion der Union werden. So spart der Arnsberger bei seinem Heimspiel im Fußballstadion Große Wiese im Stadtteil Hüsten – hierhin wurde die Versammlung zur Kandidatenaufstellung corona-bedingt verlegt – nicht mit deutlicher Kritik an seiner Partei und der Regierungspolitik. „So wie in den letzten Jahren kann es in der CDU und vor allem in Berlin nicht weitergehen“, beginnt Merz seine Rede. Damit trifft er den Nerv der Basis im Sauerland. Die CDU habe ihren Kompass verloren, „unsere Wähler – soweit noch vorhanden – wissen nicht mehr, wofür wir eigentlich stehen.“ Man verliere beständig an die Grünen, vor allem im Westen, und weiter an die AfD, vor allem im Osten. „Wir müssen wieder den Mut haben, eine stinknormale bürgerliche Politik zu machen, statt dem flüchtigen Zeitgeist atemlos hinterherzulaufen.“
Merz grenzt sich deutlich vom Berliner Politikbetrieb und damit von seinem parteiinternen Widersacher Patrick Sensburg ab, der seit zwölf Jahren das Hochsauerland in Berlin vertritt. Sensburg war 2009 Nachfolger von Merz geworden, der der damals nach vier Wahlperioden nicht erneut kandidiert hatte. Für Sensburg, erst 49, ist die politische Zukunft nun unklar; er gelobt dennoch nach der Abstimmung, sich für einheitliche Unterstützung für Merz einzusetzen.
Selbstbewusst verspricht Sieger Merz den 460 Delegierten: „Sie bekommen in mir keinen bequemen und angepassten Abgeordneten, der in Zukunft im Wahlkreis wortreich erklärt, warum dies und jenes alles alternativlos war.“ In einer Demokratie sei nichts und niemand alternativlos – ein deutlicher Hieb in Richtung von Kanzlerin Angela Merkel.
Einen Schwerpunkt seiner Rede legt Merz auf den spöttischen Kampf gegen die Gender-Sprache. Ob man nun „Frau oh Frau“ statt „Mann-oh-Mann“ sagen müsse? „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland“ singe? Oder „Hähnchen*innen-Filet“ esse? Merz schimpft auch, es gebe „in dieser Zeit andere Herausforderungen, als uns damit zu beschäftigen, die Mohrenstraße umzutaufen“. Indirekt schimpft er und zitiert einen Professor, dass ein kleiner Zirkel aus Universitäten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „eine komplette Kulturnation zum Affen“ mache. In den sozialen Netzwerken gibt es dafür kübelweise Kritik und Häme für den Sauerländer.
Wie geht es nun weiter? Der zweimalige Fast-Vorsitzende der CDU bereut zwar nochmal öffentlich seine Selbst-Bewerbung als Wirtschaftsminister: „Falsch und instinktlos“ habe er da vor einigen Wochen gehandelt. Er schließt dennoch nicht aus, eine Aufgabe in der nächsten Regierung wahrzunehmen – dies sei aber nicht der Grund für seine Bewerbung. Ihm gehe es um einen neuen Aufbruch zum Besseren. Die CDU müsse die große Volkspartei der Mitte bleiben.