New York – Verzweifelte Menschen stehen vor Mikrofonen und Fernsehkameras. Sie weinen, sie wüten, sie betrauern mit gebrochener Stimme den Tod ihrer Partner, Kinder und Neffen. Die Bilder trauriger Alltag: Laut übereinstimmenden Zählungen verschiedener Initiativen erschießen US-Polizisten im Dienst jedes Jahr 1000 Menschen.
So herzzerreißend die Einzelschicksale sind, so selten schaffen sie es in die Schlagzeilen – oder geraten zumindest schnell wieder in Vergessenheit. Anders als im Fall George Floyd. Aktuell läuft der Prozess um jenen Ex-Polizisten, der den 46-jährigen Schwarzen auf dem Gewissen hat. Derek Chauvin drückte am 25. Mai 2020 bei einer brutalen Festnahme trotz Flehen des Opfers und empörter Protestrufe umstehender Augenzeugen rund neun Minuten lang sein Knie in den Nacken von Floyd. Eine Stunde später im Krankenhaus wurde er für tot erklärt.
Seit dem 29. März läuft die Verhandlung gegen Chauvin, am heutigen Montag sollen die Schlussplädoyers beginnen. Auch nach dem Prozessbeginn sind jeden Tag im Schnitt drei weitere Menschen durch Polizisten im Einsatz getötet worden, so hat es die „New York Times“ zusammengetragen.
Unter anderem wurden während des live im US-Fernsehen gezeigten Prozesses die Aufnahmen aus dem Gerichtssaal unterbrochen von Berichten zum Schicksal von Daunte Wright. Der 20-jährige Schwarze starb am 11. April nur rund 15 Kilometer entfernt von jenem Verhandlungssaal in Minneapolis, in dem der Floyd-Prozess läuft. Die Polizistin, die Wright erschoss, beruft sich darauf, dass sie eigentlich nach ihrem Taser greifen wollte, aber versehentlich die Waffe zückte. Diese Behauptung erscheint nicht nur den Hinterbliebenen fragwürdig.
Immer lauter werden Stimmen, die versuchen, an den Verhältnissen in der US-Strafverfolgung etwas zu ändern: Weg von einer immer härter vorgehenden Polizei und Justiz, hin zu einer ausgewogeneren Ausbildung und mehr Einsätzen von Sozialarbeitern. Doch viele der bisherigen Reformvorstöße sind gescheitert. C. FAHRENBACH