GEORG ANASTASIADIS
Armin Laschet zu früh abzuschreiben ist gefährlich. Nach Hannelore Kraft und Friedrich Merz muss nun auch der kraftstrotzende Bayer Markus Söder diese bittere Lektion lernen. Mit der Brechstange setzten die CDU-Gremien ihren Parteichef durch. Nicht weil er der stärkere Kandidat war. Sondern weil er ihr Kandidat war. Und weil sich Söder, als er die CDU-„Hinterzimmer“ attackierte, mit den mächtigsten Eminenzen der westdeutschen Republik anlegte, den Schäubles und Bouffiers, die sich – jenseits des Betriebsunfalls Angela Merkel – als die wahren Hüter des Erbes Adenauers und Kohls begreifen. Die ostdeutschen CDU-Landeschefs, die sich in Söders Lager schlugen, spielen auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht in ihrer Liga.
Söder, der „Kandidat der Herzen“, wagte den Aufstand – und zerschellte an der Macht der großen Schwester. Die CSU drohe sich zu „überheben“, sagte er am vorletzten Tag des Ringens. Da gab er den Kampf schon verloren und suchte nur noch nach einem gesichtswahrenden Exit. Zuvor hatte der mit allen Wassern gewaschene CSU-Chef erfahren müssen, dass auch andere die Regeln des Hardballs beherrschen. Samt Zinsen zahlten ihm die CDU-Granden sein beinhartes Vorgehen gegen Laschet heim. Und sie beseitigten jeden Zweifel, dass sie bereit waren, die Zerstörung der Staatspartei CDU und ihres Vorsitzenden durch Söder mit der Zerstörung von dessen Reputation zu vergelten. Für dieses Gleichgewicht des Schreckens nahmen sie sogar den Verlust der Macht in Berlin in Kauf. Je mehr der Franke die CDU-Basis zum Putsch gegen ihre Führung aufstachelte, desto mehr befeuerten die von ihm verspotteten Hinterzimmer-Größen Söders mediale Verwandlung vom Umfrageliebling zum skrupellosen, machthungrigen Bayern-Trump. Söder gab erst im allerletzten Moment nach, als alles, wirklich alles in Gefahr geriet: sein Ruf, die Union und die Wahl. War es das wirklich wert?
Auch wenn Söder als Neben-Kanzlerkandidat künftig ein Superschwergewicht der Union ist, bleibt doch festzuhalten: Die CSU hat in der Ära Merkel den dritten großen Machtkampf mit der Schwester verloren. 2017 wurde Seehofer verprügelt, weil er in München die Kanzlerin angeblich wie ein Schulmädchen behandelt hatte, 2018 musste ebenfalls Seehofer im Migrationsstreit kapitulieren. In derselben Zeit setzte sich das CDU-Establishment dreimal ungerührt über die Personalwünsche der Basis hinweg: Zweimal verhinderten sie Merz, jetzt Söder. Doch wurde die Merkel-Union, während sie sich inhaltlich und personell von ihren Wählern entfernte, immer schwächer.
Und Laschet? Er ist jetzt der Lazarus der CDU. Noch am Sonntag war er politisch tot. Jetzt bestaunen sie in den C-Parteien freudlos das Mirakel seiner Auferstehung. CDU, CSU und ihren ratlosen Wählern bleibt nur die vage Hoffnung, dass ihr übel zerrupfter, unpopulärer, aber zäher und grundanständiger Kandidat sein Wunder wiederholen kann, wenn es im September gegen die Grüne Annalena Baerbock ins Endspiel um das Kanzleramt geht.
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