Die CSU und ihr Laschet-Frust

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER, MIKE SCHIER & CHRISTOPH TROST

München – In der Union denken sie noch lange nach über den Wortwechsel, der sich beim Geheimtreffen in der Nacht auf Montag zugetragen haben soll. „Mit Dir verlieren wir die Wahl“, soll Armin Laschet seinem Kontrahenten Markus Söder ins Gesicht gesagt haben. So schildern es zwei Ohrenzeugen im Gespräch mit unserer Zeitung. Söder habe überrascht geschwiegen, sein Generalsekretär Markus Blume später gekontert: Der Gedanke, dass die Union mit Laschet gewinne, sei „deutlich kühner“.

Zwei Parteichefs, die sich gegenseitig keinen Erfolg zutrauen: So ist die Lage in der Union. Dass sich Laschet inzwischen als Kandidat durchsetzte, dürfte daran nicht viel ändern. In CDU und CSU bestehen große Zweifel, ob die Union nach Herbst noch den Kanzler stellen wird.

Die Umfragen sind ein Faktor. Kaum ist Laschet gekürt, platzt „Forsa“ mit einer Blitz-Befragung raus, wonach die Union auf 21 Punkte sackt, von den Grünen (28) überholt. Nun ist Forsa, ein demoskopisches Wunder, immer mit den schlagzeilenträchtigsten Werten zur Stelle. Andere Umfragen sind deutlich moderater, sehen die Union aber ebenfalls weit von 30 entfernt. Und noch ein Institut nährt die „Laschet zieht nicht“-Erzählung. Insa hat im Auftrag der „Bild“ ermittelt, wie bei einer hypothetischen bundesweiten Ausdehnung die Unionsschwestern dastünden: Söders CSU wäre mit 24 Prozent stärkste Kraft, Laschets CDU mit 10 Prozent auf Augenhöhe mit der FDP.

Ein vorübergehender Umfrageknick ist eingepreist, sagen Vorstände von CDU und CSU. Das Ausmaß ist indes nicht ganz klar. Ein weiterer destabilisierender Faktor für Laschet ist die Unlust, für ihn Werbung zu machen. Viele Mitglieder hätten keinen Bock, sich für den NRW-Regierungschef reinzuhängen, sagen CSU-Abgeordnete. Sie schildern zornige, enttäuschte Schockstarre. Die Begeisterung für den Kandidaten liegt im Moment quasi bei Null.

Das klingt schlüssig – das führt die CSU allerdings in ein Dilemma. Unmotivierter Wahlkampf im Herbst hieße ja: die eigenen Mandate gefährden. Längst wackeln nicht nur in München einst pechschwarze Wahlkreise. Auf dem Wahlzettel am 26. September stehen in Bayern nicht Armin Laschet und die CDU – sondern die CSU mit ihren Direkt- und mit ihren vorderen Listenkandidaten. Söder jedenfalls wird die bayerische Liste nicht anführen: Wer auf der Liste stehe, der müsse auch nach Berlin gehen, findet er. 2017 hieß der Spitzenkandidat Joachim Herrmann – er blieb aber nach der Wahl im Innenministerium in München.

In der CSU versucht man deshalb einen Mittelweg aus Frustbewältigung und Vernunft. Ein bisschen lassen sie Dampf ab. Blume verbreitet im Internet sogar den Hinweis, Unionsleute außerhalb Bayerns dürften in die CSU eintreten. Andererseits rüsten Parteigrößen ab. „Es ist klar, dass wir als CSU gerne für unseren Parteivorsitzenden gekämpft hätten“, sagt Oberbayerns Bezirkschefin Ilse Aigner unserer Zeitung. „Es sollte aber auch genauso klar sein, dass wir jetzt gemeinsam für einen Gesamterfolg für die Union kämpfen.“ Es klingt ein wenig pflichtschuldig.

Söder selbst tritt am Nachmittag lange und unter Beifall vor seine Landtagsfraktion, im Ton versöhnlich. „Wir haben den Stolz der Bayern nicht verletzt, eher das Gegenteil“, sagt er über das Duell mit Laschet. In „spannenden zehn Tagen“ habe er viel dazugelernt, die CSU sei nicht geschwächt.

Vorerst ist beiden Seiten nicht an weiterer Eskalation gelegen. Laschet äußert sich seit Dienstag in einer Serie von TV-Interviews wohlwollend über Söder, dankt für die angebotene Unterstützung. (In der CSU wird berichtet, für den Fall eines Söder-Sieges habe er keine Hilfe zugesagt.) Wie es nun mit der Erarbeitung eines Wahlprogramms weitergeht, ist offen.

Ganz abgehakt ist das Thema Söder-Kandidatur dennoch nicht. CSU-Strategen denken an die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni. Zuletzt führte die CDU hier mit 30 Prozent. Doch ginge das für die CDU desaströs aus, würde Ministerpräsident Reiner Haseloff stürzen, die AfD hoch führen, könnte die Laschet-Kandidatur sogar nochmal hinterfragt werden. Andere rufen dagegen erst die übernächste Bundestagswahl als Ziel aus: „Mission 2025“.

Artikel 1 von 11