München/Berlin – In den vergangenen Tagen hat Armin Laschet erfahren, wo seine Freunde sind. Und wo nicht. Manches war überraschend und schmerzhaft auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur: Die schweigende Frau Merkel etwa, oder der sich gegen ihn wendende Merkel-Vertraute Peter Altmaier. Einen großen Gegner hatte Laschet indes schon länger auf der Rechnung: die Junge Union. Der Parteinachwuchs hat sich offen gegen seine Kandidatur gestellt. Wieder.
Laschet und die JU – eine Geschichte der Schienbeintritte. Schon zur Wahl des Parteichefs sammelte sich die JU hinter Gegner Friedrich Merz. In einer Mitgliederbefragung, wenn auch mit karger Beteiligung, stimmten nicht mal 20 Prozent der Jungen für Laschet. Jetzt, als es um die K-Frage ging, stellte sich die JU wieder gegen den 60-Jährigen. Einige Tage schaute der Verband dem Streit mit Markus Söder zu, sondierte und stritt intern – dann platzte es raus. Erst stellte die Junge Union ein Ultimatum an die Kandidaten, sich zu einigen; dann positionierte sich der Verband hinter Söder. 14 von 18 Landesverbänden, wenn auch nicht der mitgliederstarke aus NRW, forderten Söders Kanzlerkandidatur.
Geholfen hat es am Ende nicht. Sich zielsicher hinter den Verlierern zu versammeln, ist für die JU unangenehm. Noch größer ist das Problem jedoch für Laschet. Mit 100 000 Mitgliedern ist die JU bundesweit ein Machtfaktor in CDU und CSU. Sobald es darum geht, wer Plakate klebt und im Nieselregen am Dorfplatz den Wahlkampfstand aufbaut, brauchen Parteien die Kampfkraft ihres Nachwuchses.
Die Euphorie für Laschet ist arg begrenzt. JU-Bundeschef Tilman Kuban stellte das am Dienstag noch mal klar. Als Laschet gerade mit Hängen und Würgen in einer Nachtsitzung den CDU-Vorstand mehrheitlich hinter sich gebracht hatte, verbreitete die JU schriftlich: „Das Bild des gestrigen Abends war kein Bild eines Wahlsiegers und so können wir nicht in den Wahlkampf ziehen – organisatorisch und im parteiinternen Umgang.“
Bayerns JU, sehr loyal zu Söder, wird nicht widersprechen. In Hintergrundgesprächen, Whatsapp-Gruppen, teils auch öffentlich, wird geschimpft. „Eine schwierige Entscheidung im elitären Zirkel, für die Basis nicht nachvollziehbar“, sagt Oberbayerns JU-Chef Daniel Artmann über die Kür. Laschet müsse jetzt schon sehr überzeugen – mit Inhalten, „nicht Wischiwaschi“ –, damit die JU für ihn auf die Straße gehe. Artmann verlangt ein modernes, starkes Wahlprogramm.
Wenn schon der nicht genehme Kandidat, dann wenigstens mit den richtigen Inhalten: Heute stellt die JU bundesweit einen Forderungskatalog an das Regierungsprogramm von CDU und CSU vor. Der Entwurf („Aufstiegsland Schwarz-Rot-Gold“) liegt unserer Zeitung vor. Die JU fordert als Lehre aus Corona eine bundesweit einheitliche digitale Lernplattform für Schulen, 600-Euro-Jobs (statt 450) für Schüler und Studenten, ein Familiensplitting und den Gesetzesanspruch auf zehn Tage voll bezahlten Vaterschaftsschutz.
Zu munteren Debatten könnte die geforderte Koppelung des Renteneintritts an die Lebenserwartung führen. Ach ja, und für Kanzler, sollte Laschet mal einer werden, hat die JU auch eine Forderung: die Amtszeitbegrenzung auf drei Legislaturperioden.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER