Parlament tagt bis 3.50 Uhr

Nächtlicher Unsinn

von Redaktion

MIKE SCHIER

Während halbwegs normale Menschen vergangene Nacht in ihren Betten lagen, herrschte im Bundestag Hochbetrieb. Das reguläre Ende der gestrigen Sitzung, die um 9 Uhr vormittags begann, war für heute Nacht 3.50 Uhr veranschlagt! Also quasi kurz nach der eben verordneten Ausgangssperre. Um 1.55 Uhr wollte man das Cyber-Stalking-Gesetz beraten, um 2.35 das Staatsangehörigkeits-, um 3.15 das Anti-Doping-Gesetz. Offenbar keine wichtigen Themen, für die man ausgeschlafene Politiker bräuchte. Man fragt sich: Wer denkt sich das aus?

Es ist ein seltsames Ritual der Politik, in dem Sitzfleisch zur besonderen Tugend verklärt wird. Legendär die Brüsseler Verhandlungsnächte, in denen der ein oder andere vom Schlaf übermannt wurde. Das Problem: Die Ergebnisse solcher Nachtsitzungen sind meist überschaubar. Erst vor wenigen Wochen nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz bis 3 Uhr musste sich Angela Merkel sogar entschuldigen: Die spontane Idee eines Oster-Lockdowns wirkte bei Tageslicht plötzlich nicht mehr allzu durchdacht. Und auch am Dienstagmorgen dieser Woche dürfte sich der ein oder andere in der CDU gefragt haben, wie um 0.30 Uhr plötzlich Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten ausgerufen werden konnte.

Schon klar: Manchmal dauern Diskussionen länger als erwartet – wie bei der CDU. Aber Sitzungen gleich von vorneherein so zu terminieren, ist völliger Unsinn. Erstens ist der Plenarsaal dann fast leer, zweitens wirkt es, als wolle man manche Themen jenseits der Öffentlichkeit behandeln. Beides hilft nur den Demokratiefeinden.

Mike.Schier@ovb.net

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