Wirtschaft hadert mit den Grünen

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Der Entwurf gebe „Anlass zur Sorge“, urteilt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Das Programm sei durchzogen von einem „prinzipiellen Misstrauen“ gegen marktwirtschaftliche Mechanismen und Akteure und offenbare ein „ausgeprägt dirigistisches Staatsverständnis“. Die Perspektive sei „sehr eingeengt“ auf das Staatsziel Klimaschutz. Der Umbau von einer sozialen in eine sozial-ökologische Marktwirtschaft sei nur mit einem tiefgreifenden Umbau der Gesellschaft möglich.

Auf 49 Seiten bewertet der Verband die grünen Vorhaben. Immer wieder mal gibt es Zustimmung, vereinzelt sogar ausdrückliches Lob. Dass die Partei die digitale und technologische Souveränität stärken will, begrüßt der BDI ebenso wie eine Investitionsoffensive mit einem jährlichen Volumen von 50 Milliarden Euro (kritisiert allerdings die damit einhergehenden Steuererhöhungen). Aber das Gesamtbild fällt doch trüb aus. Das zeigt schon der Titel der Studie: „Wenig Licht – viel Schatten.“

Klima

Konkret bemängelt der Verband etwa, dass die Grünen den CO2-Preis bis 2023 auf 60 Euro pro Tonne erhöhen wollen. Das im vergangenen Jahr erlassene Gesetz sieht schrittweise eine Anhebung bis auf 55 Euro 2025 vor, anschließend soll ein Preiskorridor zwischen 55 und 65 Euro gelten. Eine schnellere Erhöhung sei eine „rein hausgemachte Belastung“ im internationalen Wettbewerb, besonders für den standorttreuen Mittelstand und Familienunternehmen, beklagt der BDI. Den Plan, die Emissionen bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren, hält er für unrealistisch.

Verkehr

Wasserstoffbetriebene Verbrennungsmotoren nennt die Partei „Illusion und Verzögerungstaktik“. Sie will den Einsatz von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen auf Industrie und Flugverkehr begrenzen. Der BDI sieht das kritisch. Für das Erreichen der Klimaziele seien Bio- und synthetische Kraftstoffe unverzichtbar. Ab 2030 sollen laut Grünen-Programm nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Der Verband entgegnet, dass bis dahin die Produktion von E-Autos und die Lade-Infrastruktur nicht ausreichend hochgefahren sein werden. Die Forderung nach einem Tempolimit bei 130 km/h widerspreche „intelligenter Verkehrslenkung“.

Handel

Auch bei der Handelspolitik hat der Verband große Vorbehalte. Er sieht „überfrachtete Anforderungen an die europäische Handelsagenda“, die internationale Abkommen gänzlich verhindern und Deutschland isolieren würden. Die Grünen wollen die europäisch-kanadische Vereinbarung CETA nicht vollständig ratifizieren. Auch das Mercosur-Abkommen, das die EU mit vier südamerikanischen Staaten ausgehandelt hat, darunter Argentinien und das für Naturfrevel berüchtigte Brasilien, lehnen sie ab. Der Pakt, der die weltweit größte Freihandelszone schaffen würde, sei „umweltschädlich“. Der BDI ist anderer Meinung: Es bestehe im Gegenteil „eine reale Chance, positiven Einfluss auf die Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards“ zu nehmen.

Wohnen

Das aktuellste Beispiel für die Skepsis der Industrie betrifft die Wohnungspolitik. In ihrem Programm sprechen sich die Grünen für Mietobergrenzen aus und wollen diese per Bundesgesetz regeln. Der Berliner Mietendeckel, an dessen Entstehen die Partei beteiligt war, ist eben erst vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden – mit der Begründung, dass den Ländern ein solcher Eingriff nicht zustehe. Sollte tatsächlich auf Bundesebene ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden, dürfte sich „in einem derart von Unsicherheit beim Eigentumsschutz geprägten Umfeld kaum eine Investitionsoffensive im Wohnungsmarkt entwickeln“, befürchtet der BDI. „Kaufen wird das neue Mieten.“

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