München – Der Name klingt im ersten Moment bedrohlich. Am Montag steht wieder ein Bund-Länder-Gipfel an, eine jener Veranstaltungen also, die in den vergangenen Monaten durch Zank, Indiskretionen und fatale Entscheidungen nach Mitternacht (Osterruhe) aufgefallen sind. Diesmal dürfte es konstruktiver zugehen, nächtliche Eskapaden sind nicht zu erwarten. Aber auch am Montag steht ein heikles Thema auf der Agenda.
Am Freitag gab das Robert-Koch-Institut (RKI) den Anteil der vollständig Geimpften mit sieben Prozent an. Das ist noch nicht viel – aber genug, um die Frage zu stellen, die in der Theorie schon seit Monaten im Raum steht und jetzt angesichts des spürbar anziehenden Impftempos immer dringlicher wird: Wann erhalten Geimpfte ihre Grundrechte zurück?
Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll dieser Punkt bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag mit im Zentrum stehen. Voller Impfschutz könne einem negativen Testergebnis gleichgestellt werden, sagt Spahn und nennt mehrere Szenarien: den Wegfall der Quarantänepflicht nach einem Kontakt zu einem Infizierten, die Regeln bei Einreiseverordnungen und bei Öffnungsschritten etwa für Geschäfte.
Eine andere Frage, die er sich stellt: „Darf man jemandem, der vollständig geimpft ist, noch Kontaktbeschränkungen auferlegen?“ Die Jenaer Staatsrechtlerin Anna Leisner-Egensperger sagte in der „Welt“, es müsse „möglich sein, dass Restaurants wieder öffnen, um private Feiern nur für Geimpfte anzubieten“. Die Bundesregierung bereitet für die Runde der Länderchefs eine Übersicht zu den Rechtsfragen vor. Ob es allerdings am Montag bereits zu Entscheidungen kommt, ist noch nicht absehbar.
Die entscheidende Frage – wie wirksam eine Impfung nicht nur vor einer Infektion schützt, sondern auch die Übertragung des Virus auf andere verhindert – ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Untersuchungen aus Israel legen den Schluss nahe, dass nach der Gabe von zwei Dosen des Biontech-Impfstoffs Ansteckungen mit fast 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit unterbunden werden können. Die Studie ist allerdings noch nicht vollständig veröffentlicht.
Aufgrund dieser Unklarheit hatte sich der Ethikrat in einer Ad-hoc-Empfehlung im Februar dagegen ausgesprochen, Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte aufzuheben. Am Freitag teilte das Gremium mit, die Einschätzung gelte immer noch. Lediglich bei einer Bevölkerungsgruppe besteht eine Ausnahme. Der Mediziner Wolfram Henn, eines der 24 Ratsmitglieder, sagte der „Heilbronner Stimme“: „Geimpfte, alte Menschen mit ihrer begrenzten Lebensperspektive und mit Blick auf ihre Lebenssituation brauchen klarer definierte Lockerungen als die Allgemeinbevölkerung.“
Wie sensibel das Thema der Grundrechte ist, machte auch RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Freitag deutlich. Er hat aber nicht nur die Geimpften und ihren nachvollziehbaren Drang im Blick, zu einem halbwegs uneingeschränkten Leben zurückzukehren. Schaade fordert auch Solidarität mit den noch ungeimpften jüngeren Bevölkerungsgruppen. Viele hätten sich in der Pandemie stark eingeschränkt und so gefährdete Ältere und Risikopatienten geschützt: „Wir müssen uns bitte noch weiter einschränken, damit auch diese Personen eine Chance haben, sich impfen zu lassen, bevor das Virus sie erwischt.“ mit dpa