Geimpfte müssen 14 Tage warten

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Berlin/München – Wie groß und unstillbar die Vorfreude auf die Rückkehr zum Alltag ist, war vor zwei Wochen in London zu erleben. Als dort die Friseure nach Monaten öffneten, hatten sie bis zu 3000 Kunden auf der Warteliste. Zur Kneipenöffnung trafen sich Freunde bei Regen und Temperaturen von knapp über Null, frierend, aber glücklich. Die Bilder gingen um die Welt. Gibt es hierzulande zeitnah ähnliche Perspektiven, wenigstens für Geimpfte?

Heute treffen sich Bund und Länder zum Impfgipfel, um genau darüber zu reden. Ein erster schriftlicher Vorschlag kursiert, er dürfte ungefähr umreißen, auf welche Sonderregeln (eigentlich: die Rückkehr zu den Grundrechten) Geimpfte hoffen dürfen und auf welche nicht. Der sechsseitige Entwurf liegt unserer Zeitung vor. Tenor: Es geht schon was, aber es geht langsam.

Der Bund schlägt im Papier vor, wer als geimpft zählt. Die zweite Impfung muss abgeschlossen sein (außer bei Johnson & Johnson, da reicht eine Dosis) und 14 Tage zurückliegen. Es zählen nur zugelassene Stoffe, also derzeit nicht Sputnik. Sie müssen einen Nachweis digital oder auf Papier mitbringen. Gleichgestellt werden Genesene, deren positiver PCR-Test mindestens 28 Tage und maximal sechs Monate zurückliegt. Ein Antikörper-Nachweis soll nicht genügen. Für Genesene reicht eine einmalige Impfung, um den Geimpften zugeordnet zu werden.

Das klingt kompliziert – und wird noch komplizierter. Geimpfte und Genesene sollen die gleichen Rechte bekommen wie frisch Getestete, zum Teil noch mehr. Wo zum Betreten von Läden oder Museen frische negative Tests nötig sind – das regelt aktuell die „Notbremse“ des Bundes – müssen sie nur ihre Impfung nachweisen. Bei der Einreise werden Geimpfte und Genesene außerdem voraussichtlich von der Quarantäne befreit – außer, sie kommen aus Virusvarianten-Gebieten. Letzteres gilt zum Beispiel für Indien, Südafrika, aber auch das Moselle-Gebiet in Frankreich, problemlos wären die meisten Staaten in Europa. Noch vage ist der Vorschlag, ob Geimpfte und Genesene von Kontaktregeln ausgenommen werden. Für Heime soll das sicher gelten – aber auch für die Party?

Bei den Masken will der Staat noch hart bleiben. „Weniger eingreifende Schutzmaßnahmen wie die Pflicht zur Tragung einer Mund-Nasen-Bedeckung oder Abstandsgebot werden auch für Geimpfte, Genesene und Getestete noch für einen längeren Zeitraum weiterhin gelten“, steht im Entwurf. Und: Ein Anspruch auf die Öffnung bestimmter Einrichtungen – etwa Museen oder Schwimmbäder – ergibt sich laut Bundesregierung aus den Ausnahmen aber nicht.

Fast 2,9 Millionen Deutsche gelten als genesen. Am Sonntag waren rund sechs Millionen vollständig geimpft, etwas unter 20 Millionen haben die erste Dosis. Lockerungen betreffen also viele Bürger, allerdings die meisten erst viel später als erhofft. Wer jetzt die erste Dosis gespritzt bekommt, erhält je nach Impfstoff erst im Juni oder Juli die zweite – plus 14 Tage Wartezeit landet man im Hoch- bis Spätsommer.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) blickt weiter und fordert einen „Fahrplan zurück ins normale Leben“. „Ende Mai sollten wir in der Lage sein, belastbare Aussagen zu treffen. Ich will, dass wir als Regierung dann klare und mutige Öffnungsschritte für den Sommer festlegen“, sagte er. Damit sollten sich Restaurants aufs Öffnen einstellen und die Bürger ihren Sommer planen können. Ebenfalls solle der Zeitpunkt festgelegt werden, ab wann wieder Konzerte, Theater und Fußball im Stadion möglich seien.

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