Zemans russischer Drahtseilakt

von Redaktion

VON ALEXANDER WEBER

München/Prag – Es ist eine gefährliche Gratwanderung für Milos Zeman. Die Stimmung in Tschechien ist hochexplosiv, seit bekannt wurde, dass die Sprengung eines Munitionsdepots im Jahre 2014, das einem bulgarischen Waffenhändler gehörte, nach tschechischen Erkenntnissen ein blutiges Werk des russischen Geheimdienstes gewesen sein könnte, bei dem zwei Menschen starben. Ausgeführt von jenen zwei Agenten Moskaus, die bereits ihre Finger bei der Vergiftung des Ex-Doppelagenten Sergej Skripal im britischen Salisbury im Spiel gehabt haben. „Was haben die Russen Pat und Mat auf unserem Territorium gemacht?“, fragte Zeman am Sonntag im TV und spielte damit auf eine beliebte Fernsehserie an, deren Hauptfiguren nichts als Unheil anrichten. „Kein souveränes Land kann es zulassen, dass zwei Agenten eines ausländischen Staates einen Terroranschlag auf seinem Gebiet verüben“, so Zeman.

Doch ganz so scharf wie es klingt, meint Zeman seine Worte in Richtung Moskau wohl nicht. Denn gleichzeitig warnte der 76-Jährige im Streit mit Russland vor „jeder Form der Hysterie“. Es gebe zwei Ermittlungshypothesen, so Zeman: Entweder erhärte sich der Verdacht gegen Russland oder es stelle sich heraus, dass es sich um einen Unfall im unsachgemäßen Umgang mit Munition gehandelt habe. „Ich hoffe, dass wir die Wahrheit erfahren werden.“

Für Zeman, seit 2013 an der Spitze seines Landes, sind die Enthüllungen des tschechischen Geheimdienstes besonders peinlich. Seit Jahren profiliert sich der Präsident als antiwestlicher Politiker und einflussreicher Sachwalter russischer und chinesischer Interessen in Europa. „Zemans Rede ist eine Beruhigungsaktion, die die hochschlagenden Wellen im Land glätten soll“, meint der Europaexperte und Sprecher der sudetendeutschen Landsmannschaft Bernd Posselt gegenüber unserer Zeitung. Wie angeschlagen das Ansehen Zemans durch diese höchst unpopuläre Aktion des Kreml auf tschechischem Boden ist, zeigt auch die Reaktion von Ministerpräsident Andrej Babis. Der Ministerpräsident, dessen Regierung auf die Unterstützung rechtsnationaler und kommunistischer Kräfte – beide prorussisch – angewiesen ist, geht auf Distanz zum Präsidenten. Nicht ohne Grund: Im Oktober sind Parlamentswahlen in der Prager Republik, Babis muss um seine Wiederwahl kämpfen.

Als Reaktion auf die Skandalberichte verwies die Regierung Babis 18 russische Diplomaten des Landes, worauf Moskau seinerseits mit der Ausweisung von 20 tschechischen Botschaftsangehörigen reagierte. Zeman zieht diese Aktion seines eigenen Regierungschefs allerdings in Zweifel. Er sehe keinen Grund, meinte er, warum es „18 Spione“ in der russischen Botschaft geben solle, so das Staatsoberhaupt in Prag.

Berichten zufolge könnte der Hintergrund der Sprengung des Depots gewesen sein, dass darin für die Ukraine bestimmte Waffen gelagert worden sein könnten. Zur Erinnerung: 2014 hatte Russland die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert, während in der Ostukraine der nach wie vor andauernde Konflikt zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee eskalierte.

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