Man solle am besten auch vor Supermärkten impfen, sagte Ministerpräsident Söder neulich, und die halbe Republik japste, welche Schlagzeile er da wieder rausblase. Zum Verständnis wichtig: Man sollte dabei weniger an den Biomarkt in Nymphenburg denken, mehr an den Discounter im Hochhausviertel. Söder und auch Vizekanzler Scholz treffen einen neuen Kern der Impfdebatte mit dem Rat, niederschwellige mobile Angebote aufzubauen.
Wenn die Knappheit der Dosen endet – das ist, wenn auch zu spät, absehbar im Juni/Juli – werden wir alle staunen: Zwar haben sich mitunter 100-Jährige per Smart-phone längst einen Termin gesichert. Die Impfkampagne hat aber ein riesiges Dunkelfeld. Wir erreichen ganze Schichten und Gruppen kaum. Sprachbarrieren, Verständnisprobleme, kulturelle Hürden bremsen. Weil das Ziel Herdenimmunität eine Zwei-Drittel-Durchimpfung erfordert, ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Impfen wird freiwillig bleiben. Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft dürfen das aus rationalen oder irrationalen Gründen ablehnen. Wer aber nicht will, dass Covid-19 – statt zu verschwinden – in kurzer Zeit zu einer Unterschichten-Krankheit wird (und dann mit Mutationen zurückkehrt), braucht neue Impfangebote: an Familien, an Schulen, an ganze Betriebe, notfalls eben auch am Stadtplatz so simpel wie möglich. Sich nicht impfen zu lassen, muss eine bewusste, individuelle Entscheidung sein – „Ist so kompliziert“ oder „Weiß nicht“ genügen dafür nicht als Motivlage.
Christian.Deutschlaender@ovb.net