München – Huchenfeld ist ein Ort, den man leicht übersehen kann. Am Mittwoch aber ist viel los gewesen in diesem Stadtteil Pforzheims – genauer: vor dem Edeka-Markt. Auf den Straßen bildeten sich Staus, die Ersten kamen morgens um acht, sechs Stunden zu früh. Die Geduld lohnte sich. 800 Impfdosen wurden bis zum Abend gespritzt, im Supermarkt und auf dem Parkplatz, gleich durchs geöffnete Wagenfenster.
Die große Verfügbarkeit lag daran, dass es um das Vakzin von Astrazeneca ging. Das Präparat hat es von Anfang an schwer gehabt bei den Leuten, das ist noch immer so. „Dumm und dusselig“ habe sie sich mit ihren Patienten diskutiert, sagt die Ärztin Nicola Buhlinger-Göpfarth, Urheberin der Edeka-Aktion. Das Misstrauen sei riesig, ob wegen des geringeren Wirkungsgrades im Vergleich zu Biontech oder der Debatte um Sinusvenenthrombosen.
Nicht nur in Pforzheim muss man als Mediziner manchmal kreativ sein. In Ostwestfalen bietet ein Mediziner gerade dutzende von Astrazeneca-Impfungen via Ebay-Kleinanzeigen an. Gleichzeitig gibt es unterhalb der Altersgrenze von 60 Jahren, ab der das Präparat in Deutschland empfohlen wird, viele Interessenten. Das Vakzin ist für sie die Abkürzung zum Impfglück. So wie im Landkreis Miesbach vor zwei Wochen. Nach drei Stunden waren knapp 2000 Termine vergeben.
Gestern hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bekanntgegeben, dass die Priorisierung bei Astrazeneca bundesweit aufgehoben wird wie schon in einzelnen Ländern wie Bayern und Sachsen. Gleichzeitig wird er die Zeitspanne zwischen erster und zweiter Spritze bei diesem Mittel flexibler gestalten und in die Hände der Ärzte legen. Aktuell beträgt das Intervall zwölf Wochen, bis auf vier könnte man runter. Bei Biontech und Moderna sind es sechs, bei Johnson & Johnson ist nur eine Injektion nötig. Weil nach der letzten Spritze noch zwei Wochen vergehen, bis man als vollständig geimpft gilt, gibt es eine hohe Diskrepanz. Je nach Hersteller zwei, acht oder eben 14 Wochen. Hier will Spahn straffen: „Auch mit Blick auf den Sommer.“
Der Impfstatus wird für die Urlaubspläne wichtig sein, Astrazeneca-Nutzer sollen nicht ausgesperrt bleiben. In Österreich sind sie schon drei Wochen nach der ersten Spritze wieder willkommen. Das Land hat diese Woche bekannt gegeben, die Hürden für Erleichterungen radikal zu senken und gar nicht bis zur zweiten Injektion zu warten. Die Regierung blickt dabei aber nicht nur auf Touristen. In seiner Impfstrategie hat Wien von Anfang an stark auf Astrazeneca gesetzt.
Auch nördlich der Grenze wird das Mittel trotz aller Turbulenzen noch eine wichtige Rolle spielen. Allein nächste Woche landen 1,34 Millionen Dosen in den Praxen, deutlich mehr als im April. Martin Eulitz von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns berichtet von einem „diffusen Bild“. Er weiß von Ärzten, die an Wochenenden aufsperren, um die Ladenhüter loszuwerden. Andere berichteten von reger Nachfrage, gerade nach der Aufhebung der Priorisierung: „Da stand das Telefon nicht mehr still.“ Die sind jetzt auch froh, dass der Bund für Astrazeneca die Limitierung aufgehoben hat, die bisher die Bestellung von maximal 36 Dosen pro Woche erlaubte. So schwer man das mancherorts auch nachvollziehen mag: Es gibt Ärzte, die können von diesem Mittel gar nicht genug bekommen.