München – Für Winfried Kretschmann wird es ein komplett neues Lebensgefühl. Bisher gehörte die Chefin im Kultusministerium – in Corona-Zeiten ein besonders sensibles Amt – nicht zu den engsten Vertrauten des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Susanne Eisenmann war als CDU-Spitzenkandidatin seine Herausforderin. Sie scheiterte krachend – und zieht sich nun aus der Politik zurück. Man habe „zumindest in der ersten Hälfte der Legislatur gut zusammengearbeitet“, gab ihr Kretschmann zum Abschied mit auf den Weg. Vergifteter kann man ein Lob kaum formulieren.
Mit Eisenmanns Nachfolgerin dürfte sich der Regierungschef leichter tun. Sie ist nicht nur Parteifreundin, sondern eine alte Bekannte: Theresa Schopper, einst Vorsitzende der Grünen in Bayern, die nur wegen Kretschmann 2014 in die schwäbische Hauptstadt wechselte.
Damit erreicht die erstaunliche Karriere der inzwischen 60-Jährigen eines der wichtigsten Ämter, die Landesregierungen zu vergeben haben. Schule ist Ländersache – und es ist anzunehmen, dass die erste Grüne in diesem Amt im Ländle einiges verändern will. Schließlich schrieb sie in Bayern fleißig Anträge gegen die in ihren Augen falsche Schulpolitik der CSU. Interessant: Laut Koalitionsvertrag soll das achtjährige Gymnasium die Regelform bleiben – anders als in Bayern.
Schopper, die eigentlich aus dem Allgäu stammt und zum Soziologie-Studium nach München kam, saß zwischen 1994 und 2013 mit Pausen 14 Jahre lang im bayerischen Landtag, ein Jahrzehnt führte sie gemeinsam mit dem legendären Sepp Daxenberger den Landesverband der Grünen. Dann verkalkulierte sie sich: Vor der Wahl 2013 wechselte sie aus München zurück ins Allgäu. Die Grünen dort verweigerten der Rückkehrerin aber einen guten Listenplatz. Sie flog aus dem Landtag und gab enttäuscht den Parteivorsitz ab. Es sah so aus, als sei ihre politische Karriere vorbei.
Von wegen: Schopper konnte wählen. Das Angebot, politische Bundesgeschäftsführerin ihrer Partei in Berlin zu werden, schlug sie aus. Stattdessen nahm sie jenes von Kretschmann an. Beamtin statt Politikerin. Dieser Schritt zurück brachte ihr schließlich die zweite Karriere. Schopper übernahm zunächst die Leitung von Kretschmanns Grundsatzreferat im Staatsministerium, wie die Staatskanzlei dort heißt. Dann rückte sie nach vorn: 2016 übernahm sie die politische Koordination im Staatsministerium, zunächst als Staatssekretärin, seit 2018 als Staatsministerin.
In Bayern verfolgen die Parteifreunde weiter aufmerksam, wie Schopper im Ländle Karriere macht. „Sie war schon immer eine Person, die keine Lust hatte, nur Opposition zu machen. Sie will Dinge verändern, eigentlich ist sie eine geborene Regierungspolitikerin“, sagt die bayerische Fraktionschefin Katharina Schulze. Die 35-Jährige hat eine ganz besondere Beziehung zu Schopper, die Parteichefin war, als Schulze in die Partei eintrat. Die Vorsitzende erkannte schnell das Talent der jungen Münchnerin, die bald als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Abgeordnete Schopper tätig war. „Warmherzig und menschlich“ sei diese als Chefin gewesen, erinnert sich Schulze. Und so mache sie auch Politik. Schulze: „Sie ist auch ein Vorbild für mich.“ Schulzes Kollege Ludwig Hartmann sagt: „Das Kultusministerium ist unstrittig immer eine Herausforderung, bekommt mit Theresa Schopper jetzt aber eine selbstbewusste, inhaltlich starke und fähige Ministerin.“
Als Schopper nach Stuttgart wechselte, sah sie sich als Teil eines spannenden Projekts. „Einen Ministerpräsidenten bringen wir wahrscheinlich nicht mehr so schnell z’amm“, scherzte sie 2014. Vom Kanzleramt in Berlin wagten damals nicht mal die optimistischsten Grünen zu träumen. MIKE SCHIER