München – In der kommenden Woche soll die Impfpriorisierung in Arztpraxen aufgehoben werden. Wir sprachen mit Landkreispräsident Christian Bernreiter über die Situation vor Ort.
Herr Bernreiter, ist die Aufhebung richtig?
Ja. Ich bekomme viele Rückmeldungen, dass die Ärzte neben ihrer eigentlichen Arbeit viel Zeit darauf verwenden müssen, um Diskussionen zu führen. Von diesem Dilemma werden sie befreit.
Aber gibt es überhaupt genug Impfstoff?
Impfstoff ist leider noch immer ein limitiertes Gut, auch wenn die Zahl der Dosen inzwischen angestiegen ist.
Sie haben alle Landkreise im Blick. Kommt denn überall gleich viel an?
Man muss unterscheiden: Die Verteilung an die Impfzentren erfolgt streng nach Einwohnerzahl. Es hat nur für einige besonders betroffene Landkreise Sonderkontingente gegeben. Bei den Haus- und Fachärzten gibt es aber leider deutliche Unterschiede.
Woran liegt das?
In manchen Landkreisen impfen mehr Ärzte als in anderen. Teilweise gibt es unbesetzte Arztstellen. Die Ärzte werden über den Großhandel versorgt, der von Berlin aus gesteuert wird. Wir fordern, dass in Landkreisen mit weniger Ärzten der einzelne Mediziner mehr Dosen bekommen muss. Im Moment ist die Verteilung sehr ungerecht.
Gibt es da ein Stadt-Land-Gefälle?
Nein. Das war unsere erste Befürchtung. Nun sehen wir, dass auch kreisfreie Städte bei der sogenannten Hausarztquote hinterherhinken.
Wer ist besonders betroffen?
Es gibt fast in jedem Regierungsbezirk Gegenden, die zurückliegen – vor allem in Schwaben und Unterfranken, aber auch in Ober- und Niederbayern.
Welche Regionen in Oberbayern sind betroffen?
Wir versorgen nun einige Landkreise, die auch höhere Inzidenzwerte haben, mit zusätzlichen Dosen: Mühldorf, Altötting, der Raum Ingolstadt/Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen.
Sie sprechen von Klagen der Landärzte . . .
Mir wurden von Anfang an Probleme gemeldet – auch wenn die Ärzteverbände das immer negieren. Die Landärzte sagen, dass sie ohnehin eine 70- bis 80-Stunden-Woche haben und jetzt zusätzlich noch impfen sollen. Dabei werden sie zusätzlich noch mit sehr fordernden Patienten konfrontiert, die teilweise gar nicht zu ihrem Patientenstamm zählen. Viele bitten deshalb darum, lieber mehr Impfstoff an die Impfzentren zu verteilen.
Aber es gab Überlegungen in der Staatsregierung, die Impfzentren zu schließen.
Davon kann ich nur abraten. Die Zentren haben sich sehr bewährt. Ich habe in meiner Amtszeit noch nie so viele positive Rückmeldungen bekommen. Erleichterte Menschen bedanken sich für die gute Organisation und das freundliche Personal. Das Verhältnis ist eindeutig: 4,4 Millionen Dosen sind in den Impfzentren verimpft worden, davon 3 Millionen seit dem Beginn der Praxisimpfungen, 1,4 Millionen durch Ärzte. In den Zentren wird sieben Tage die Woche in zwei Schichten geimpft.
Wie lange braucht man die Zentren noch?
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin als Landrat und nicht als Manager eines Impfzentrums gewählt worden. Aber bis September werden wir sie noch brauchen. Auch weil die Impfungen immer in Wellen erfolgen. Wir haben jetzt sechs Wochen lang sehr viele Erstimpfungen gehabt, auf die jetzt die Zweitimpfung folgt.
Das heißt, dass es jetzt erst einmal weniger Erstimpfungen geben wird?
Ja. Es wird viele Landkreise geben, in denen kommende Woche in den Impfzentren fast ausschließlich Zweitimpfungen stattfinden.
Interview: Mike Schier