München – Die Infektionszahlen sinken, die Impfquote steigt: Die dritte Welle gilt als gebrochen. Nach acht Wochen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) endlich wieder eine Inzidenz unter 100 gemeldet: Am Freitag lag sie bundesweit bei 96,5. In Bayern war der Wert mit 95,3 knapp drunter. Das Ende der Bundesnotbremse rückt vielerorts näher – gilt das auch für das Ende der Pandemie? Die Corona-Lage im Überblick.
Neuer Impfrekord
Mehr als 1,3 Millionen Menschen wurden am Mittwoch deutschlandweit geimpft – so viele wie noch nie. Insgesamt haben jetzt knapp 36 Prozent der Bevölkerung mindestens eine erste Dosis bekommen – und etwa jeder Zehnte ist bereits vollständig geschützt. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich am Freitag mit Astrazeneca impfen lassen. Laut RKI-Präsident Lothar Wieler müssen deutlich über 80 Prozent der Menschen immun sein, um die Corona-Maßnahmen weitgehend fallen zu lassen.
Während die Sommerferien immer näher rücken, wächst bei den bayerischen Impfzentren aber die Sorge, dass viele Erstgeimpfte ihre Zweitimpfung vernachlässigen: Offenbar melden sich immer mehr Menschen, die ihren Termin wegen Urlaubsreisen verschieben wollen. Das bayerische Gesundheitsministerium warnt, dass diejenigen keinen neuen Termin für die zweite Impfung bekommen.
Intensivstationen
Auf den Intensivstationen sei die Lage zwar mit über 4000 Covid-19-Patienten immer noch „alles andere als entspannt“. Doch Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), zeigt sich dennoch optimistisch: „Die Zahlen gehen runter, die Richtung stimmt.“ Dennoch wird es laut DIVI-Prognose noch bis Ende Juni dauern, bis sich die Zahl der Corona-Intensiv-Patienten halbieren wird.
Problematisch ist, dass die Patienten auf den Intensivstationen immer jünger werden, heißt es aus der München Klinik. „60 Prozent unserer Patienten sind unter 60 Jahre alt. Und auch der Rest ist nur knapp älter als 60“, sagt Ines Kaufmann – die Oberärztin leitet die operative Intensivstation der München Klinik in Neuperlach. In den vergangenen Wochen müssten zwar durch die steigende Impfquote immer weniger Patienten intensivmedizinisch behandelt werden – jüngere Menschen hätten dafür aber länger mit dem Virus zu kämpfen.
„Im Schnitt bleiben die Patienten zwar etwa 14 Tage“, sagt München-Klinik-Chefarzt Thomas Felbinger. „Einige von ihnen haben aber auch schon 60 oder sogar 120 Tage auf der Intensivstation gelegen.“ Schwerstkranke Patienten, die mehrere Wochen im Krankenhaus liegen, würden im Schnitt von rund 100 Mitarbeitenden verschiedener Berufsgruppen versorgt.
Dadurch würden nicht nur die Betten blockiert – auch die psychische Belastung der Intensivmediziner und der Pflegenden sei mittlerweile am Limit. „Wir sehen noch keine Lücke zur Entspannung“, sagt Felbinger, „vor allem, weil wir mit den sinkenden Zahlen auch gleich wieder ins Routinegeschäft übergehen: Dann werden wir uns wieder vermehrt um Verkehrs- und Freizeitunfälle kümmern und verschobene OPs nachholen müssen.“
Lockerungen
In Bayern weisen mittlerweile 54 Kreise und kreisfreie Städte eine Inzidenz unter 100 auf. Liegt der Grenzwert stabil (fünf Tage) unter 100, gilt die Bundesnotbremse in der jeweiligen Region ab dem zweiten darauffolgenden Tag nicht mehr. In München ist das zum Beispiel seit Dienstag der Fall: Dadurch gibt es Lockerungen bei Kontaktbeschränkungen und für Museumsbesuche, auch die nächtliche Ausgangssperre ist entfallen. Zusätzlich durften ab Mittwoch auch Außengastronomie, Theater, Opernhäuser sowie Kinos wieder öffnen. Ab 21. Mai sollen dann auch in Regionen mit einer Inzidenz unter 100 Freibäder und Kulturveranstaltungen im Freien mit bis zu 250 Personen folgen. Nach Pfingsten könnte es auch Öffnungen für Innengastronomie und Fitnessstudios geben.
Gesundheitsminister Jens Spahn warnte vor zu forschen Öffnungsschritten. Laut „Süddeutsche Zeitung“ hat er nun aber den Ländern konkrete Öffnungsschritte vorgeschlagen: Demnach sollen die Außengastronomie, der Einzelhandel und körpernahe Dienstleistungen für negativ Getestete bundesweit öffnen. Auch Veranstaltungen im Freien sollen möglich sein, die Öffnung von Hotels, Innengastronomie und Kulturstätten wäre ab einer Inzidenz unter 50 denkbar.
Maskenpflicht
In den USA dürfen jetzt vollständig Geimpfte ihre Masken ablegen – das gilt sowohl für drinnen als auch draußen. Sie müssen auch in Büros, Kinos, Restaurants oder Fitnessstudios keinen Sicherheitsabstand mehr einhalten. Präsident Joe Biden nannte die Entscheidung einen „Meilenstein“. „Heute ist ein großer Tag für Amerika in unserem langen Kampf gegen das Coronavirus“, sagte Biden. Für Deutschland kündigte Spahn bei „Bild Live“ an, dass die Maskenpflicht fällt, „wenn jeder sich problemlos impfen lassen könnte, weil genug Impfstoff für alle da ist“. (mit dpa)