Unsere Dialekte sind alles andere als Sprachen zweiter Klasse. Der Münchener Linguist Günther Grewendorf hat das in seinem sehr lesenswerten Büchlein unter dem Titel „Warum Bairisch genial ist“ mal wieder bewiesen.
Zugegeben, altbairisch, das ja auch in Tirol gesprochen wird, kennt als Zeitform kein Imperfekt. Statt „Peter kam“, heißt es „Der Peter is kemma“. Dafür hat es aber die Besonderheit, dass auch Beiwörter wie „weil“ oder „obwohl“ je nach Person und Zahl konjugiert werden können, wie sonst nur Verben. Daher die bairische Liebeserklärung: „I mog di, obwoist a Depp bist / I mog eich, obwoi-ts Deppen sei-ts!“
Aber nicht nur Bairisch ist genial, alle unsere Mundarten sind es. Schade daher, dass unsere Dialekte es so schwer haben, sich gegen die Übermacht der Hochsprache zu behaupten. Dieses Zurückdrängen hat schon begonnen mit Luthers Bibelübersetzung und der Verbreitung von einheitlichem Luther- Deutsch durch den Buchdruck. Heute drängt die Übermacht der Medien die Regionalsprachen zurück. Bairisch steht angeblich schon auf der UNESCO-Liste der bedrohten Sprachen. Mit der niederdeutschen Sprache, dem früher im ganzen Norden bis nach Ostpreußen in unterschiedlicher Ausprägung gesprochenen Plattdeutsch, dürfte es eher noch schlimmer stehen.
Unvergänglich aber bleibt unsere großartige mundartliche Literatur und Dichtung. Sie geht von Ludwig Thomas „Heilige Nacht“, den „Alemannischen Gedichten“ von Johann Peter Hebel, den plattdeutschen Romanen von Fritz Reuter bis zu Gedichten von Theodor Storm. Die dithmarscher Mundart lebt fort im „Quickborn“, der Gedichtsammlung von Klaus Groth. Die beginnt mit einer Huldigung an die Muttersprache, die für alle Dialekte gilt: „Min Modersprak, wa klingst du schön! Weer ok min Hart as Stahl und Steen, Du drevst den Stolt herut.“
In den Medien wird oft ebenso gewandt wie kalt hochdeutsch gedrechselt, dazu mit unsäglichen neuen Wortbildungen. Da täte es gut, wieder von der Echtheit der Muttersprachen zu lernen. Unsere Dialektsprachen kennen keinen aufgesetzten Stolz, keine Phrasen und keine Eitelkeit. Wer Dialekt spricht, der kann wohl auch mal grob daherkommen, aber eigentlich ist es nicht so gemeint. Wenn ein Bayer von seinem Chef sagt: „Des is a verreckter Hund“, dann ist das keine Beleidigung, sondern eher ein Kompliment für dessen umsichtige Führung. Wer will bei aller Liebe schon für einen Chef arbeiten, der ein „Depp“ ist?
Oft sind unsere mundartlichen Dichtungen entstanden aus Heimweh. Der badische Kirchenrat Johann Peter Hebel musste sein Berufsleben in Karlsruhe verbringen. Aber er sehnte sich zurück nach seiner Heimat im südlichen Schwarzwald und dem Markgräflerland. Wer sein Gedicht liest über das Gewitter, der ist dort sofort zuhause: „Der Vogel schwankt so tief und still, er weiß nit, woner ane will. Es chunnt so schwarz und chunnt so schwer, und in die Lüfte hangt e Meer voll Dunst und Wetter. Los, wie’s schallt am Blauen, und wie’s widerhallt.“
Schreiben Sie an:
Ippen@ovb.net