München – Es war eine denkwürdige Abstimmung zwischen den Parteifreunden Florian von Brunn und Horst Arnold. Ein Spektakel, das keiner in der Landtags-SPD oder unter den berichtenden Journalisten bis heute vergessen hat: Stundenlang debattierte und wählte die Fraktion ihren neuen Vorsitzenden. Das erste Votum endete mit einem Patt, 11:11. Das zweite Votum endete mit einem Patt, 11:11. Erst im dritten Wahlgang gab es eine Entscheidung, 13:8 für Arnold. So knapp war es, dass die Kontrahenten zwischendurch sogar gemeinsam auf die Toilette gehen mussten – damit keiner hinter dem Rücken des anderen Absprachen treffen konnte.
Zweieinhalb Jahre ist das her, Herbst 2018. In der Demokratie geht es eben mal knapp zu. Doch nun steht das Ergebnis schon wieder infrage. Nach Informationen unserer Zeitung steuert die Landtags-SPD zur Halbzeit auf eine neuerliche Führungsdebatte zu, vielleicht einen Wechsel. Erneut greift von Brunn nach dem Fraktionsvorsitz. Am Mittwoch soll in einer Fraktionssitzung gewählt werden.
Die Halbzeit-Wahl, in anderen Fraktionen ein turnusgemäßes Ritual, verspricht damit für die SPD Spannung. Die Gewichte haben sich nämlich verschoben. Von Brunn ist eben, per hauchdünnem Votum, zum SPD-Landeschef gewählt worden. Das stärkt die Position des Münchners, der sich gestern nicht äußern wollte. In der Fraktion habe der 51-Jährige seine Unterstützer beisammen, heißt es. Unter anderem kam der fränkische Abgeordnete Arif Tasdelen als Generalsekretär ins Team Brunn.
Ob Horst Arnold überhaupt noch mal antritt, bezweifeln manche in der Fraktion. Er will sich heute nach der Sitzung des Fraktionsvorstands dazu erklären. Der 59-Jährige aus Fürth, früher Staatsanwalt und Richter, führte die 22 Abgeordneten unaufgeregt und korrekt, aber anders als bei FDP und Grünen auch ohne große mediale Aufmerksamkeit durch die Corona-Krise. In Umfragen reicht das für die Sozialdemokraten nur für einstellige Werte noch unter den 9,7 Prozent der letzten Landtagswahl 2018.
Für die SPD im Landtag geht es deshalb diese Woche zum einen um eine strategische Ausrichtung. Je weiter die Partei schrumpft, real bei den Mitgliedern, aber auch in den Umfragen, desto schwieriger wird der Kampf um Aufmerksamkeit. Klappt das besser mit mehreren Köpfen? Oder lohnt es sich, für die nächste Zeit Macht und Ämter bei von Brunn zu bündeln? Die Neuwahl könnte auch eine strategische Vorentscheidung für die Landtagswahl 2023 sein: Ein Fraktions- und Parteichef wäre für die SPD ein natürlicher Spitzenkandidat.
Doch von Brunn und Arnold stehen auch für unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen. Der eher linke Großstädter von Brunn steht klar für einen grünen Kurs. Der Jurist Arnold dagegen verkörpert die alte Schröder/Gabriel-SPD, in der man auch mal offen über die Probleme von Zuwanderung für die Innere Sicherheit reden darf.
Dennoch empfahl Arnold nach seinem Wahlsieg 2018 von Brunn als Stellvertreter. Allerdings gab es mit Klaus Adelt wieder einen Gegenkandidaten für den Münchner. Und wie könnte es anders sein? Die erste Abstimmung endete 11:11. Im zweiten Durchgang musste sich von Brunn auch hier geschlagen geben.
Drei Jahre später könnte er nun der Gewinner im Machtkampf sein. cd/mik/hor/ska