Biden gibt seine Zurückhaltung gegenüber Israel auf

von Redaktion

US-Präsident fordert Waffenruhe in Nahost – Liberale Medien und linker Flügel der Demokraten machen Druck

Washington – Seit dem Beginn der Kämpfe vor acht Tagen hatte US-Präsident Joe Biden nicht zu einem Waffenstillstand im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern aufgerufen. Stattdessen setze er auf „ruhige und intensive Diplomatie“, hieß es noch gestern in Washington.

Doch wenige Stunden später benutzte er dann in einem Telefonat mit Benjamin Netanjahu erstmals den Begriff „ceasefire“. Gleichzeitig habe Biden, so ein Statement des Weißen Hauses, Israel „ermuntert“, jede Anstrengung zu unternehmen, um den Schutz von „unschuldigen Zivilisten zu gewährleisten“. Gleichzeitig blockierten die USA allerdings Versuche des UN-Sicherheitsrats, mit einer Erklärung Israel zum Stopp seiner Angriffe aufzufordern. In der Vergangenheit hatte Israel ohnehin Interventionsversuche der UN, die in Jerusalem als parteiisch für die Palästinenser angesehen werden, immer wieder ignoriert.

Vor allem in der eigenen Partei, aber auch in einem Teil der US-Medien war die bisherige Strategie Bidens, dem engen Verbündeten beim Vorgehen gegen die für den Beginn des militärischen Konflikts verantwortliche Terrororganisation Hamas weitgehend freie Hand zu lassen, zuletzt immer stärker hinterfragt worden. Der Ruf nach einer Waffenruhe muss deshalb vor allem als Reaktion auf diese Entwicklung gesehen werden. Der progressive linke Flügel der Demokraten, angeführt von den Abgeordneten Alexandra Ocasio-Cortez und Ilhan Omar, hatte unverhohlen Israel mit den Begriffen „Terrorismus“ und „Apartheid“ assoziiert, was wiederum zu Vorwürfen des Antisemitismus aus dem rechten politischen Lager geführt hat. Kritik gab es auch von der liberalen „New York Times“, die Bidens Haltung zu dem Konflikt als zu zurückhaltend moniert hatte. Im „National Public Radio“ war die Reaktion der Regierung als „stumm“ charakterisiert worden. Am letzten Donnerstag hatte Biden noch die Ansicht vertreten, es habe bislang „keine signifikante Überreaktion“ vonseiten Israels gegeben.

Vor allem das konservativ ausgerichtete „Wall Street Journal“ hatte am Montag in einem viel beachteten Leitartikel der Redaktionsführung den US-Präsidenten aufgefordert, Israel Zeit zu geben, um die Bedrohung durch Hamas-Raketen zu reduzieren. Der Beitrag war ein klares Plädoyer gegen einen Waffenstillstand und verwies auf ein „bekanntes Drehbuch“ in dem Konflikt, das stets angesichts der Reaktionen Israels damit ende, dass die Welt Israel bedrängt, die Selbstverteidigung einzustellen.

In Europa hat derweil Ungarn eine gemeinsame Erklärung der EU-Staaten zum Nahost-Konflikt verhindert. Das Land blockierte in einer Videokonferenz der Außenminister eine solche Positionierung. Gründe dafür wurden zunächst nicht bekannt. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban pflegt allerdings eine strikt loyale Position zur israelischen Regierung und persönlich zu Regierungschef Benjamin Netanjahu. EU-Diplomaten gingen deswegen davon aus, dass Ungarn auch an Israel gerichtete Aufforderungen zu einem Ende der Gewalt nicht mittragen wollte. FRIEDEMANN DIEDERICHS

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