Niedersachsen und sein Ministerpräsident haben in der Corona-Pandemie verhältnismäßig wenig Schlagzeilen geschrieben. Stephan Weil gehörte weder zur Lockdown-Fraktion um Merkel und Söder noch zu den (zumindest gelegentlichen) Lockerern wie Laschet. Umso überraschender kam nun die Idee, bei einer Inzidenz unter 35 die Maskenpflicht im Einzelhandel aufzuheben.
Die Episode zeigt einmal mehr, wie erratisch politische Entscheidungsträger selbst nach eineinhalb Jahren Pandemie noch agieren. Es gibt wahrlich Regelungen, die man jetzt, da der große Druck aus den Debatten zu entweichen beginnt, noch einmal nüchtern hinterfragen sollte. Der willkürlich gewählte Inzidenz-Wert von 165 für Schulöffnungen ist so eine Schnapsidee, die schon am Tag nach Einführung keiner mehr erklären konnte. Aber das Ende der Maskenpflicht? Solange fast im ganzen Land in Schulen und Büros noch Ausnahmezustand herrscht, wäre das der fünfte Schritt vor dem ersten. Und vor allem wäre er extrem unsozial: Noch immer hatten zwei Drittel der Bevölkerung keine Chance auf eine Erstimpfung, da kann man doch im Supermarkt, den jeder aufsuchen muss, nicht jede Vor- und Rücksicht beenden!
Die viel beklatschte Bundesnotbremse hat wenig daran geändert, dass jedes Land sein eigenes Süppchen kocht. Das gilt auch für Bayern, das erst am lautesten einheitliche Regeln forderte und sie dann ebenso lautstark über den Haufen warf. Jetzt noch die niedersächsische Masken-Idee. Rückblickend war die „Einheitlichkeit“ eine Phantomdebatte, die nun im Gesetzbuch verewigt ist.
Mike.Schier@ovb.net