Abu Dhabi – An einem sonnigen Tag im vergangenen September trat der damalige US-Präsident Donald Trump auf den Balkon des Weißen Hauses und kündigte nicht weniger an als den „Beginn eines neuen Nahen Ostens“. Gemeint waren die von Washington vermittelten, sogenannten Abraham-Abkommen der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains mit Israel über eine Normalisierung ihrer Beziehungen. Laut Trump sollten sie „Grundlage für umfassenden Frieden in der gesamten Region“ werden. Bald zogen der Sudan und Marokko mit ähnlichen Abkommen nach.
Acht Monate später – und nach tödlichen Angriffen und Zusammenstößen in Israel, dem Gazastreifen und dem Westjordanland – scheint von dieser Hoffnung nicht viel übrig zu sein. Der erneut eskalierte Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat wieder hohe Wellen geschlagen in der arabischen Welt, vor allem über die Grenzen nach Jordanien, Syrien und zum Libanon. Dort leben nach UN-Angaben insgesamt rund 3,2 Millionen palästinensische Flüchtlinge.
Die Emirate, Bahrain, Marokko und den Sudan hat der Konflikt in ein neues diplomatisches Dilemma geführt. Einerseits können sie den neuen Dialog mit Israel nicht gefährden. Zugleich können sie ihre lange Unterstützung der Palästinenser nicht einfach aufgeben. Bewohner zeigten sich rasch solidarisch mit ihren arabischen Schwestern und Brüdern.
Vor allem die Emirate und Bahrain stünden jetzt „ziemlich schwach“ da, sagt Colin Clarke von der privaten Soufan Group, die weltweit Sicherheitslagen analysiert. „Sie haben den Abkommen zugestimmt, haben aber buchstäblich null Einfluss auf die Israelis. Gleichzeitig ist ihre Kritik an Israel wegen der Abkommen wenig glaubhaft.“ Die mit großen Tönen verkündeten Vereinbarungen seien ohnehin „im Wesentlichen PR“ gewesen. Entsprechend zurückhaltend wirkte die Rhetorik während der Kämpfe zwischen Israel und der militanten Hamas.
Die Abraham-Abkommen – benannt nach dem Stammvater von Juden, Muslimen und Christen – halfen auch kaum weiter, weil die Palästinenserfrage darin bewusst beiseite geschoben worden war. Die Staaten hatten andere Ziele: Bahrain und die Emirate wollten wegen des gemeinsamen Erzfeindes Iran näher an Israel heranrücken. Sie empfinden den wachsenden Einfluss Teherans (sowie auch den der Türkei) in Teilen der arabischen und muslimischen Welt als Bedrohung, ähnlich wie Saudi-Arabien. Israel und die Emirate hatten schon seit Jahren in Sicherheitsfragen verdeckt zusammengearbeitet.
Offiziell haben Israel nach Ägypten (1979) und Jordanien (1994) nun sechs arabische Staaten anerkannt. Weitere Abkommen scheinen nicht in Sicht. Die vier neuen Länder haben Israel in der Region erstarken und die traditionellen Linien arabischer Länder in Nahost und Nordafrika weiter aufbrechen lassen. Ihr Argument, durch die neuen Abkommen mehr Einfluss auf Israel zu haben, hat sich nicht bewahrheitet. Die jüngste Waffenruhe vermittelte Ägypten, das schon 2014 als Mediator aufgetreten war. JOHANNES SADEK