Der Himmel über Belarus bleibt leer

von Redaktion

VON CHRISTIAN THIELE

Brüssel/Minsk – Am Himmel über Belarus dürfte es in nächster Zeit ruhiger werden. Immer mehr Fluggesellschaften wollen einen Bogen um die frühere Sowjetrepublik fliegen, weil die autoritäre Führung am Sonntag ein Passierflugzeug zur Landung gezwungen und danach einen Blogger der Opposition festgenommen hat. Bei der Lufthansa sind nach Angaben eines Sprechers hauptsächlich die Verbindungen nach Moskau betroffen. Air France, Finnair und die polnische Lot weichen ebenso auf andere Strecken aus. Auf die massive Kritik aus dem Westen hat der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko noch nicht reagiert. Eine für gestern angekündigte Stellungnahme ist um einen Tag verschoben worden.

Die staatliche belarussische Fluglinie Belavia hat bis Ende Oktober alle Verbindungen nach London und Paris gestrichen. Viele Menschen in Belarus dürften es nun schwerer haben, ihr Land zu verlassen. Wichtig waren die Verbindungen ins Nachbarland Ukraine. Kiew hat alle Flüge ausgesetzt. Belarus protestierte dagegen.

Nach Angaben der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol gibt es normalerweise täglich mehr als 300 Flüge von und nach Europa über Belarus. Die Behörden in Minsk behaupteten, der Flugausfall sei nicht besonders groß. Zu finanziellen Verlusten machten sie gar keine Angaben. Flüge nach Russland laufen ganz normal weiter. Moskau stellte sich einmal mehr vor seinen Verbündeten Belarus.

Die Behörden des autoritär geführten Landes hatten am Sonntag ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mithilfe eines Kampfjets zur Landung in Minsk gezwungen – angeblich wegen einer Bombendrohung. Die Maschine flog dann später mit Stunden Verspätung weiter nach Vilnius.

Nicht mehr an Bord waren der regierungskritische Blogger Roman Protassewitsch und seine Freundin. Beide wurden festgenommen. Dem 26-Jährigen, der zuletzt im Ausland lebte, drohen mehrere Jahre Haft. Der Kreml in Moskau hofft, dass zumindest Sofia Sapega in naher Zukunft freigelassen wird. Sie hat die russische Staatsbürgerschaft. Protassewitsch meldete sich am Montagabend mit einem Video zu Wort. Seine Unterstützer gehen davon aus, dass er zu den Aussagen gezwungen und zuvor gefoltert wurde.

Mehrere westliche Staats- und Regierungschefs verlangten die sofortige Freilassung des Bloggers. An der Führung in Minsk dürften solche Forderungen aber abprallen. Die EU erweiterte deshalb auch die bestehende Liste mit Personen und Unternehmen, gegen die Vermögenssperren und Einreiseverbote gelten.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die neuen EU-Strafmaßnahmen. Der belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja gehen sie indes nicht weit genug: „Das Regime von Lukaschenko ist eine Bedrohung für die Region und Europa. Die einzige Lösung für diese Krise besteht darin, freie und faire Wahlen und demokratische Reformen durchzuführen“, sagte sie.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte nach dem EU-Gipfel, die Sanktionspolitik stoße bei Weißrussland und Russland an ihre Grenzen. Es brauche „wirksame Antworten“. Der UN-Sicherheitsrat hält heute eine informelle Dringlichkeitssitzung ab. Sie finde auf Antrag Frankreichs, Irlands und Estlands statt, hieß es aus Diplomatenkreisen.

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