Wenn der Ostbeauftragte der Bundesregierung vielen Ostdeutschen „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“ attestiert, hat das Aufreger-Potenzial. Als Ostbeschimpfungsbeauftragter wird Marco Wanderwitz von manchen schon betitelt. Und tatsächlich begibt er sich damit gerade als CDU-Politiker auf dünnes Eis.
Was Wanderwitz sagt, ist einerseits zwar keine böswillige Erfindung. Dass Menschen die „diktatursozialisiert“ sind, teils ihre Probleme mit der Anpassung in demokratische Strukturen hatten, ist ein Phänomen, das auch in großen Teilen der einstigen Sowjetunion zu beobachten war und ist, nicht nur in der ehemaligen DDR. Und natürlich gab es das gefestigte Parteiensystem des Westens im Osten jahrzehntelang nicht – und somit auch viel weniger Bindung zu CDU, SPD oder FDP. Andererseits lässt sich die Stärke der AfD in Ostdeutschland allein damit kaum erklären. Schließlich erzielt sie auch (und teils besonders) bei Jüngeren, die die DDR gar nicht erlebt haben, gute Ergebnisse. Schwere Strukturprobleme, Kriminalität im Grenzraum und bereits verfestigtes Protestwählertum – all das spielt dabei eben auch eine Rolle.
Es war zudem besonders die CDU, die im Osten immer mehr an Rückhalt potenziell konservativer Wähler verloren hat, weil sie sich immer weniger um deren Probleme und Ansichten gekümmert hat. Ein Effekt, der sich ausgerechnet mit der ersten ostdeutschen Kanzlerin noch verstärkt hat. Und in genau diese Lücken ist die AfD vielerorts hineingestoßen – und besetzt sie bis heute.
Sebastian.Horsch@ovb.net