München – Marco Wanderwitz teilt mit Vorliebe aus. Gegen die AfD im Speziellen, aber auch gegen Hans-Georg Maaßen, den umstrittenen CDU-Bundestagskandidaten in Südthüringen. Er würde Maaßen nicht wählen, hat Wanderwitz, selbst CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Erzgebirge, kürzlich gesagt. Denn der Ex-Verfassungsschutzpräsident baue auf „eine Mischung aus Zündelei und groben Fehleinschätzungen“. Parteifreunde sprechen eigentlich anders – zumindest, wenn die Mikros laufen.
Nun sorgt Wanderwitz erneut für Aufregung. Als Ostbeauftragter der Bundesregierung spricht er vielen Ostdeutschen eine stärkere Neigung zur Wahl rechtsradikaler Parteien zu. „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“, sagt Wanderwitz dem FAZ-Podcast. Ein Teil der Bevölkerung habe „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“. Deshalb sei auch nur ein geringer Anteil der AfD-Wähler „potenziell rückholbar“. Man müsse auf die kommende Gerenation hoffen.
Bis dahin allerdings könnte die CDU im Osten noch viel mehr Einfluss eingebüßt haben als heute schon. Der nächste Schritt droht dabei bereits am kommenden Sonntag. In Sachsen-Anhalt wird der Landtag gewählt. Die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff liegt in den meisten Umfragen zwar in Führung, doch die AfD ist in Schlagweite. Das Institut Insa sah sie vergangene Woche sogar knapp vorne.
Haseloff – der derzeit in einer Koalition mit SPD und Grünen regiert – gibt sich offiziell gelassen. Doch er weiß, dass gerade in der Corona-Krise die Gefahr besteht, dass viele Wähler den Regierenden eins auswischen wollen. „Das Hin und Her um die zusätzlichen Ruhetage zu Ostern, die Bundesnotbremse, die gerade begonnene Projekte wieder stoppte, regionale Ausgangssperren brachte und eben nicht zu mehr Überschaubarkeit der Maßnahmen führte, all das war kontraproduktiv“, sagt er im Interview mit der „Welt“. Diese Stimmung komme der AfD zugute. Die Partei sammle den geballten Frust ein.
Und das habe auch mit einer Hybris auf der linken Seite des politischen Spektrums zu tun. „Die linke Identitätspolitik und die Cancel Culture nehmen inzwischen zuweilen irrationale Züge an“, beklagt Haseloff. Wenn jedoch bestimmte Dinge nicht mehr thematisiert werden dürften, schade das dem gesellschaftlichen Diskurs. „Oder nehmen sie die Gendersprache in Politik wie Medien. Wer will privat so sprechen? Wie das geradezu missionarisch durchgedrückt wird, nervt viele Leute, weil es mit den Lebenswelten vieler Menschen nicht mehr das Geringste zu tun hat.“ Im Osten definierten sich selbstbewusste Frauen über ihre Leistung und nicht über das Binnen-I. „Je aggressiver auf der einen Seite diskutiert wird, desto extremer reagiert die andere“, sagt Haseloff.
Sollte die AfD daraus am Wahltag Kapital schlagen können, befürchten einige in den linken Parteien bereits, dass die CDU dem Druck von rechts nachgeben und sich auf eine Koalition einlassen könnte. „In der Sachsen-Anhalt-CDU brechen teilweise die Dämme zur AfD“, sagt Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Bundestags-Linken, dem Bonner „General-Anzeiger“. Haseloff selbst betont hingegen: „Als Partner kommt die AfD für die CDU in Sachsen-Anhalt nicht infrage, in keiner Form. Punkt, aus, Schluss.“ » KOMMENTAR