München – Der Fall, über den die „Welt am Sonntag“ berichtet, lässt besonders tief blicken: In einem temporär zum Testzentrum umgewidmeten Berliner Strip-Club habe eine Stripperin in einer Kabine die Kunden auf Corona getestet. Es sei die gleiche Kabine, in der sie sich in normalen Zeiten für Geld ausziehe, schreibt das Blatt, das in Testzentren recherchierte. Der Test selbst sei von der Dame nicht korrekt durchgeführt worden, außerdem konnte man als Testperson eine falsche Adresse angeben. „Das System ist eine Lizenz zum Gelddrucken“, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Er rechne damit, dass schon bald Betrugsfälle auf die Ermittler zukämen.
Das Netz an privaten Corona-Teststellen in Deutschland ist immer dichter geworden – darunter scheint es aber auch „schwarze Schafe“ zu geben. Inzwischen ermittelt die Justiz wegen Abrechnungsbetrugs – in mindestens einem Fall auch in Bayern. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Wochenende deshalb „stichprobenartig mehr Kontrollen“ an. „Gerade bei den privaten Anbietern braucht es offenkundig zusätzliche Kontrollen“, sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. Die seien jedoch nur durch die Gesundheitsämter vor Ort möglich.
Die SPD attackierte Spahn, die Grünen verlangten die Nachbesserung der Testverordnung, die FDP sogar einen Sonderermittler. Auch der Deutsche Städtetag dringt auf Konsequenzen. Heute Morgen will Spahn mit den Ministern der Länder über konkrete Schritte beraten.
In den vergangenen Monaten sind Testzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Getestet wird unbürokratisch. Seit Anfang März sieht die Corona-Testverordnung der Bundesregierung solche Bürgertests vor. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche. Die Teststelle kann bis zu 18 Euro pro Test abrechnen – maximal sechs Euro davon allein für den Sachkostenanteil. Doch inzwischen sind die Preise für die Schnelltests massiv gesunken – teilweise zahlen die Betreiber nur 2,50 Euro, rechnen aber trotzdem sechs Euro pro Stück ab. Bayern zahlte bis Mitte Mai mehr als 120 Millionen Euro für die kostenlosen Bürgertests, bundesweit zahlte der Staat im April und Mai 660 Millionen Euro an die Schnelltest-Betreiber.
Eine mangelnde Kontrolle könnte ein Einfallstor für Abrechnungsbetrug bieten, wie Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ ergeben hatten. Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln offenbart, dass statt 70 wirklich genommener Proben fast 1000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster zutage gefördert.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum nahm Ermittlungen auf wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs bei Corona-Bürgertests. Das bestätigte am Wochenende ein Sprecher der Behörde in Düsseldorf. Ermittelt werde gegen zwei Verantwortliche eines in Bochum ansässigen Unternehmens, das an mehreren Standorten Teststellen betreibe. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurden im Ruhrgebiet bereits Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Den Namen des verdächtigen Unternehmens wollte die Behörde nicht nennen.
Das Kölner Gesundheitsamt befürchtet, es handele sich nur um die Spitze des Eisbergs. Man habe die große Sorge, dass dies nicht der einzige Fall sei, „sondern, dass noch weitere Fälle uns in Zukunft beschäftigen werden“, sagte Behördenleiter Johannes Nießen in der ARD. Laut „Tagesschau“ befürchten Gesundheitsämter zudem, dass falsche Testmeldungen die Datenlage über den Pandemieverlauf verfälschen könnten. So seien von drei Test-Standorten, an denen WDR, NDR und SZ recherchiert hätten, innerhalb von einer Woche 25 000 Tests gemeldet worden – darunter aber kein einziger positiver Fall.