Der Ton wird rauer: „Unerträgliche Arroganz“ wirft die Fraktionschefin der Linken der Grünen-Kanzlerkandidatin vor, weil Annalena Baerbock eine Bezinpreis-Erhöhung um 16 Cent gefordert hatte. Grünen-Wähler, oft Akademiker mit gutem Einkommen, können sich das nicht nur leisten, sondern erleichtern damit auch ihr Gewissen. Bei den Wählern der Linken sieht das anders aus.
Der kleine Streit zeigt eine tieferliegende Entwicklung, die immer offener zutage treten dürfte, je konkreter vor der Bundestagswahl mögliche Koalitionen abgeklopft werden. Die Grünen sind weit in die Mitte der Gesellschaft gerückt (auch wenn das viele Konservative nicht wahrhaben wollen). Manche linke Position mag noch im Programm schlummern, offen vertreten wird sie nicht mehr. Das hat zwar auch wahltaktische Gründe, tatsächlich aber haben die übermächtigen Realos den linken Flügel fast komplett ruhiggestellt. Ein grün-rot-rotes Bündnis können sich viele nicht mehr vorstellen. Allein schon wegen der außenpolitischen Diskrepanzen.
Vom grünen Spannungsfeld versucht die Linkspartei zu profitieren, die sich in größerer Not befindet. In Umfragen liegt man inzwischen bei sechs Prozent. Als Ost-Partei hat ihr die AfD den Rang abgelaufen. Es wird eng.
Mike.Schier@ovb.net