Ist der grüne Höhenflug vorbei?

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Der Grat zwischen Freude und Schadenfreude ist oft schmal – am Montagmorgen ist er kaum mehr sichtbar. Markus Söder spricht gerade über das „großartige Ergebnis“ der CDU in Sachsen-Anhalt, das auch ein „wichtiges Signal des Gewinnenkönnens“ sei. Er kommt dann auf die Grünen zu sprechen, es wird eine Art Abgesang. „Der grüne Höhenflug ist eindeutig gestoppt“, sagt er. Die Wähler hätten eben kein „Letztvertrauen“ in die Partei.

Das klang schon mal anders. Der CSU-Chef warnte angesichts der Stärke der Grünen sogar davor, das Kanzleramt zu verlieren. Aber das war vor der Wahl in Magdeburg und jenen 5,9 Prozent, die einer Partei mit Kanzler-Ambitionen so gar nicht stehen. Dass es die Grünen im Osten schwer haben, ist bekannt. Sie hofften aber, beflügelt vom Bundestrend, auf ein zweistelliges Ergebnis. Stattdessen sind sie nun schwächste Partei im Landtag. Ein Rückschlag für den Bund?

In München will man jedenfalls daran glauben. „Grüne Bäume wachsen doch nicht in den Himmel“, sagt Söder. Die Partei habe zwar „ein paar ganz gute Ideen“, bleibe aber „in ihrem Segment“. Da spricht natürlich der Mitbewerber. Allerdings passt das maue Wahl-Ergebnis durchaus zum schlechten Lauf, den die Ökopartei und ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock seit Wochen haben. Nicht gemeldete Sonderzahlungen, ein frisierter Lebenslauf, teils unausgegorene Gedankenspiele über den Spritpreis, Kurzstreckenflüge oder Waffenlieferungen in die Ukraine. In Summe hat all das die Grünen ein wenig zurechtgestutzt. Die Zustimmung sinkt bundesweit.

Nun kommt noch etwas erschwerend hinzu: In Sachsen-Anhalt würde es rein rechnerisch für ein Bündnis von CDU und SPD reichen. Käme es so, wären die Grünen nicht nur ihre Regierungsbeteiligung los, sondern auch ihren Ruf: als Partei, ohne die im Moment keine demokratische Mehrheit zustande kommt. Nicht umsonst sagte Sachsen-Anhalts Spitzenkandidatin Cornelia Lüddemann gestern, sie wolle am liebsten weiter mit Haseloff regieren – wenn auch lieber ohne die SPD.

Die Bundespartei bemüht sich derweil um Ruhe. Grünen-Chef Robert Habeck sagte in der ARD, es sei „nicht außergewöhnlich“, dass andere Parteien auf den letzten Metern gegen den Amtsinhaber Stimmen verlören. Generalsekretär Michael Kellner macht die AfD für das schwache Ergebnis mitverantwortlich. Viele hätten den CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff nur gewählt, um eine starke AfD zu verhindern.

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ähnliche Effekte gab es bei den Wahlen in Brandenburg oder Sachsen auch – diesmal sagte eine Umfrage sogar voraus, die AfD könne die Wahl gewinnen. „Es gab eine starke Polarisierung zwischen dem Amtsinhaber auf der einen und der AfD als Gegenpol auf der anderen Seite“, sagt auch die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, Ursula Münch. Hinzu komme, dass mit Haseloff ein beliebter Regierungschef zur Wiederwahl stand. Beides wird bei der Bundestagswahl im Herbst anders sein. „Aus meiner Sicht ist das Ergebnis aus Sachsen-Anhalt nicht auf den Bund übertragbar“, sagt Münch. „Es ist kein Rückenwind, aber auch kein Debakel für die Grünen. CDU und CSU sollten sich nicht in zu großer Sicherheit wähnen.“

Bundesweit bleiben die Grünen dran an der Union. Dort träumt man nun wieder hemmungslos groß: Wahlsieger Haseloff sagte gestern: „37 Prozent Plus x, wie in Sachsen-Anhalt, sind möglich, wenn wir geschlossen marschieren.“ Armin Laschet sei „unser Kanzlerkandidat, mit dem werden wir gewinnen“. Auch Söder spricht von Geschlossenheit – und ein bisschen auch vom Ex-Konkurrenten aus NRW. Gefragt, ob der Sieg denn nun Rückenwind für Laschets Kanzlerkandidatur sei, antwortet der CSU-Chef: „Das ist Rückenwind für uns alle“ und dann, leicht verzögert: „auch für Armin Laschet“.

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