Rente mit 68 stößt auf Ablehnung

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Manche Bomben platzen zur Unzeit. Mitten im Wahlkampf wirft der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ein Papier in die Manege, das es in sich hat. Die Experten befürchten „schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025“ und fordern daher eine „dynamische Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung“. Praktisch würde der Vorschlag nicht weniger bedeuten, als eine Reform hin zur Rente mit 68. Denn dieses Eintrittsalter wäre nach einer solchen Regelung im Jahr 2042 erreicht. Und das, wo doch erst 2010 die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029 beschlossen wurden.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Noch am selben Abend bezeichnete Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow den Vorschlag als „asozialen Oberhammer“ und drohte, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Gutachten seiner Berater nicht schlagartig wieder kassiere „beginnt morgen der Rentenwahlkampf“. Tags darauf folgte die SPD nach. Es sei „unsozial, was da vorgerechnet wird“, sagte Kanzlerkandidat und GroKo-Finanzminister Olaf Scholz. Und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil stellte klar: „Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters halte ich für den falschen Weg.“

Die Ablehnung kommt nicht etwa nur von links. Auch die CSU ist gegen den Expertenvorschlag. Ein späteres Renteneintrittsalter lehnen wir ab“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Um die Rente sicherer zu machen, bedürfe es vielmehr einer „wirkungsvollen Reform der privaten Vorsorge“. Diese müsse „erfolgreicher und effizienter werden“, forderte Dobrindt. Und auch die FDP widerspricht den Experten. Die Rente mit 68 sei „Quatsch“, schreibt der stellvertretende Parteichef Johannes Vogel auf Twitter. „Das Finanzierungsloch kann man aber nicht ignorieren oder wegdiskutieren“, so Vogel. Er schlägt eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild vor.

Am Mittag meldet sich dann auch der Bundeswirtschaftsminister zu Wort – und tut das, was die Linke von ihm gefordert hat: Er kassiert den Vorschlag. Das Rentenalter sei „auf Vorschlag des geschätzten Kollegen“ Franz Müntefering (SPD) auf 67 Jahre festgesetzt worden. „Dabei sollte es bleiben, das ist seit Jahren meine Meinung“, schreibt Altmaier auf Twitter. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums sei unabhängig. Seine Vorschläge seien weder für das Ministerium noch für den Minister bindend.

Abgeräumt dürfe das Thema damit allerdings nur vorübergehend sein. Denn nach Einschätzung des Beirats müssten „stark steigende Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt“ in die Rentenkasse fließen, wenn die gültigen Haltelinien für die Beiträge und das Rentenniveau gehalten werden sollten. „Das ginge zulasten von Zukunftsinvestitionen zum Beispiel in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz und würde die Tragfähigkeit unseres Sozialsystems untergraben“.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte angesichts dessen eine ehrliche Diskussion. „Ich erwarte von den Handelnden in der Politik auch in der nächsten Legislatur, dass es gelingt, dass auch meine Kinder später einmal eine auskömmliche Rente bekommen am Ende eines erfüllten Arbeitslebens.“  mit dpa

Artikel 2 von 11