Washington – Vier Gipfel in drei Ländern, das alles in nur sieben Tagen – und daneben noch jede Menge andere Treffen. Der Terminkalender von Joe Biden in Europa wirkt, als wolle er bei seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident die wegen der Pandemie verpassten persönlichen Begegnungen in einem Rutsch nachholen. Dass der 78-Jährige bei den Europäern punkten wird, ist erwartbar – dafür wird schon der Kontrast zu seinem Vorgänger Donald Trump sorgen. Konfrontativ dürfte es für Biden am Ende der Reise werden – wenn er den russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft.
Biden hat den Wettbewerb der Systeme zu einem seiner Kernthemen gemacht. Er sieht die Demokratien der Welt, als deren Leuchtturm sich die USA verstehen, durch den Vormarsch von Autokratien wie in China und Russland bedroht. Wie fragil die Demokratie auch in den USA ist, zeigte sich beim Sturm von Trump-Anhängern aufs Kapitol. Biden sagte im April vor dem Kongress, Amerikas Gegner – „die Autokraten der Welt“ – wetteten auf den Niedergang der US-Demokratie. „Wir müssen beweisen, dass sie noch funktioniert.“
Allein allerdings, das weiß auch Biden, kann Amerika das kaum gelingen. Innerhalb seines ersten Amtsjahres will er daher einen „globalen Gipfel für Demokratie“ einberufen. Die Wiederbelebung der transatlantischen Beziehungen hat Biden zu einer seiner Prioritäten erklärt. Diese Programmatik spiegelt auch Bidens Europa-Reise wieder.
Nach einem Truppenbesuch in Großbritannien trifft er heute Boris Johnson. Der Premier ist Gastgeber des G7-Gipfels in Cornwall, dem Biden von morgen bis Sonntag beiwohnt. Unter Trump hatte die Gruppe sieben wichtiger Industriestaaten an Bedeutung eingebüßt. Das hat sich wieder geändert. So will Biden laut US-Medien auf dem Gipfel bekannt geben, dass die USA 500 Millionen Impfdosen von Biontech/Pfizer für ärmere Länder spenden.
Unter Biden sollen die G7 als Forum westlicher Demokratien und in Abgrenzung zu autokratischen Tendenzen wieder erstarken. Allerdings ist man sich nicht ganz einig, wie hart man sich von den beiden Großmächten Russland und China abgrenzten sollte. Biden ist für einen kompromisslosen Kurs, Kanzlerin Angela Merkel fürchtet dagegen eine neue Blockbildung und sieht sich eher als Mittlerin, zumindest was China angeht.
China wird sicher zu den Hauptthemen zählen, wenn Biden in Cornwall Merkel erstmals seit Beginn seiner Amtszeit persönlich trifft. Anders als Trump lässt Biden keinen Zweifel daran, wie wichtig ihm das Verhältnis zu Deutschland ist. Von Großbritannien aus, wo er zum Abschluss noch von Königin Elizabeth II. empfangen wird, reist Biden am Montag nach Brüssel zum Nato-Gipfel. Vor drei Jahren hatte Trump noch mit dem Austritt der USA gedroht, weil die Verbündeten zu wenig für ihre Verteidigung bezahlten. Mit Biden will sich die Nato als Bollwerk westlicher Demokratien wieder in alter Stärke zeigen.
Am Tag nach dem Nato-Gipfel steht für Biden das Spitzentreffen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel auf dem Programm. Dabei dürfte weitgehend Harmonie vorherrschen. Spätestens am Mittwoch dürfte es damit aber vorbei sein – dann kommen Biden und Wladimir Putin in Genf zusammen.
Beim bislang letzten Gipfel 2018 hatte Trump öffentlich den Erkenntnissen seiner eigenen Geheimdienste über russische Einmischung in die US-Wahlen widersprochen. Ein solcher Kuschelkurs ist in Genf nicht zu erwarten. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte auf die Frage, welche Botschaft die USA mit dem Treffen aussenden würden: „Dass der Präsident der Vereinigten Staaten keine Angst hat, unseren Gegnern die Stirn zu bieten“.