EU-Verfahren gegen Deutschland

Brüsseler Roulette

von Redaktion

MARTIN PREM

Die EU leitet gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren ein, weil das Bundesverfassungsgericht gegen Europarecht verstoßen habe. EU-Recht geht vor nationales Recht, ist die Devise – oder eher der Glaubenssatz. So einfach ist die Sache nämlich nicht. Die EU ist ein Staatenbund und kein Bundesstaat. Das deutsche Grundgesetz – und letztlich auch dessen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht – ist die Grundlage aller staatlichen Gewalt in Deutschland und nicht die EU-Verträge, die dennoch einen sehr hohen Stellenwert genießen.

Wenn die deutsche Verfassung in Kernbestimmungen nicht mit EU-Recht vereinbar ist und Brüssel auf seiner Position besteht, gibt es – unabhängig von der Frage der Kompetenzen der EZB, um die es in der Sache ging – nur zwei Lösungen: Das deutsche Volk (und nicht etwa dessen Parlament) beschließt in freier Entscheidung, wie es im Grundgesetz vorgesehen ist, eine neue, EU-konforme Verfassung. Das ist angesichts der erheblichen demokratischen und rechtsstaatlichen Defizite der EU – etwa in der Frage der Gewaltenteilung – extrem unwahrscheinlich. Bleibt die zweite Möglichkeit: Deutschland muss die EU verlassen – was deren Ende wäre.

Die Kommission spielt Brüsseler Roulette. Das ist wie russisches Roulette. Nur stecken mehrere scharfe Patronen in der Trommel. Weniger selbstmörderisch wäre es, die erheblichen Defizite der EU – etwa die skandalös untergeordnete Rolle der gewählten Volksvertreter – endlich zu beheben. Es gäbe viel zu tun.

Martin.Prem@ovb.net

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