Berlin – Dass es ein „Paukenschlag“ ist, würde Tanit Koch Armin Laschet wahrscheinlich als erstes aus dem Redemanuskript streichen. Auf jeden Fall ist dem Unions-Kanzlerkandidaten und CDU-Chef in seinem bislang schleppend verlaufenden Wahlkampf eine überraschende Personalie gelungen. Laschet holt die frühere Chefredakteurin von „Bild“ und der RTL-Zentralredaktion, Tanit Koch, in sein Wahlkampfteam im Berliner Konrad-Adenauer-Haus.
Die 43 Jahre alte Boulevardjournalistin ist nun für seine Wahlkampfkommunikation zuständig und koordiniert seine Pressearbeit. Außerdem soll sie die überschaubare Präsenz Laschets in den immer wichtiger werdenden Sozialen Netzwerken ausbauen. „Wir gewinnen mit Tanit Koch eine erfahrene Journalistin und Kommunikationsexpertin – sie ist jetzt in meinem Team und ich freue mich sehr“, sagt Laschet.
Laschets Freude ist verständlich, benötigt er doch kommunikative Unterstützung. In seinem langen Lauf ins Kanzleramt setzte er bisher vor allem einen Glanzpunkt: die Bewerbungsrede um den CDU-Vorsitz im Januar. Auf dem Parteitag spielte der Aachener mit Pathos und Emotionen, zeigte die alte Bergmannsplakette seines Vaters, zitierte diesen mit den Worten: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“ So schlug Laschet seine Mitbewerber Friedrich Merz und Norbert Röttgen aus dem Feld und schuf einen Verblüffungsmoment beim politischen Gegner und zynischen Hauptstadtjournalisten.
Mit Hilfe von Tanit Koch soll es künftig mehr solche Momente geben. Und weniger Pannen. So schürte vor allem ein Stammel-Auftritt in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ Ende März Zweifel an Laschets Kanzlertauglichkeit.
Das soll vorbei sein. Klare Botschaften, ein geplantes Vorgehen in den Medien, auf Pressekonferenzen und vor allem in Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder bei Twitter – das solle Koch strukturieren helfen, ohne Laschets Qualitäten wie Volksnähe und Standvermögen dahinter unsichtbar werden zu lassen, heißt es aus der CDU-Spitze. Gerade im Netz ist die politische Konkurrenz zum Leidwesen der Unionsstrategen präsenter, allen voran die AfD.
Der Zeitpunkt ist gut: In Sachsen-Anhalt bekam Laschet Rückenwind, gleichzeitig stolperte Grünen-Chefin Annalena Baerbock über Unklarheiten in ihrem Lebenslauf. Auch Koch wird mit solchen Themen zu tun haben. Neu aufgelegte Berichte über eine hässliche Stelle in Laschets Vita waren da nur ein Vorgeschmack. Es geht um seine Arbeit als Lehrbeauftragter an seiner heimischen Hochschule RWTH, die in einem Skandal um verschluderte studentische Arbeiten endete, für die Laschet dennoch Noten erfand. Er gab daraufhin sein Amt auf und löschte die Tätigkeit aus seinem offiziellen Lebenslauf.
Dass frühere Journalisten aus dem konservativen Springer-Konzern Politiker beraten, ist nicht neu: Einer von Kochs Vorgängern an der „Bild“-Spitze, Peter Boenisch, diente Bundeskanzler Helmut Kohl als Regierungssprecher, Ex-„Bild“-Politikchef Béla Anda war in dieser Funktion für SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder tätig.
Von Schröder stammt auch das Bonmot, zum Regieren brauche er nur „Bild“, „Bams“ und „Glotze“. „Bild“-Redakteur Georg Streiter brachte gar das Kunststück fertig, erst von der FDP und dann von der CSU als stellvertretender Regierungssprecher nominiert zu werden. Der Ex-Chef der „Bild am Sonntag“, Michael Spreng, wiederum beriet CSU-Chef Edmund Stoiber bei dessen nur knapp gescheiterter Kanzlerkandidatur 2002.
Insofern steht die nach eigenen Angaben parteilose, bisher von Beobachtern liberal verortete Tanit Koch in einer langen Tradition. Die gebürtige Konstanzerin, in Bonn aufgewachsen, hatte nach einem Politik- und Jurastudium im männerlastigen Springer-Konzern eine steile Karriere hingelegt, bis 2016 an die Spitze der Print-„Bild“.
Doch schon zwei Jahre später gab sie nach einem Zerwürfnis mit ihrem Co-Chefredakteur Julian Reichelt diesen Posten auf und heuerte ein Jahr später bei der Kölner Mediengruppe RTL als Chefredakteurin der Zentralredaktion und Geschäftsführerin des Senders n-tv an. Das Gastspiel endete ein gutes Jahr später. Als Grund gab der Sender „unterschiedliche Auffassungen über den weiteren Weg“ an. SVEN GÖSMANN