MARCUS MÄCKLER
Gegner, Rivale, Wettbewerber, Partner? Dass sich der zaudernde Westen bislang nicht auf einen klaren Kurs gegenüber China einigen konnte, machte Peking sich dankbar zunutze. Doch die Dinge ändern sich. Nach der kritischen Positionierung der G7-Staaten fand gestern auch die Nato klarere Worte. Dem EU-Reisenden Joe Biden sei Dank.
Es brauchte wohl den neuen US-Präsidenten, um den demokratischen Partnern Dampf zu machen. Dabei gibt es längst kein Erkenntnisproblem mehr. Schon 2019 nannte die EU das autoritäre China einen „Systemrivalen“, der die liberale Demokratie im Grundsatz infrage stellt. Statt politische Konsequenzen daraus zu ziehen, ließ man sich aber weiter von Peking einschnüren: Italien trat dem Seidenstraßen-Projekt bei, Brüssel verhandelte – angetrieben von Berlin – munter über ein umfassendes Investitionsabkommen. Die westlichen Mahnungen zu Hongkong oder dem Umgang mit den Uiguren liefen so routiniert und zahm vom Band, dass Peking sie einfach ignorierte.
Spät, aber nicht zu spät, beginnt der Westen nun zu reagieren. Die Frage ist jetzt: Wie viel Abgrenzung ist möglich und verträglich? Gerade das wirtschaftlich stark mit China verflochtene Europa muss eine schwierige Abwägung zwischen Konfrontation und Kooperation treffen, ohne wie bisher unentschlossen zu wirken. Die Kanzlerin trat beim G7-Gipfel eher noch auf die Bremse, eine neue Bundesregierung wird sich das nicht mehr erlauben können. Sie sollte gleich eines verinnerlichen: Chinas aggressiv vorgetragene Ambitionen lassen sich nicht wegstreicheln.
Marcus.Maeckler@ovb.net