Jens Spahn schafft es nicht aus der Schusslinie. Sein Ministerium habe im vergangenen Jahr zu viel Schutzausrüstung beschafft, lautet der neueste Vorwurf, der auf einem Bericht des Bundesrechnungshofs fußt. Wer nun aber gleich wieder auf den angeschlagenen Gesundheitsminister einprügelt, sollte noch einmal zurückdenken.
In der Hochphase 2020 suchte nicht nur Deutschland verzweifelt Masken, Kittel und Desinfektionsmittel, sondern fast alle Staaten. Der Markt war ein Dschungel, in dem sich niemand sicher sein konnte, ob seine Lieferung ankommt, bis sie da war. Gleichzeitig war völlig offen, wie lange die Pandemie anhält. „Milliarden von Masken“ werde Deutschland brauchen, prognostizierte damals Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Wer sich rüsten wollte, musste schnell sein. Doch die Cent-Artikel kosteten plötzlich das Hundertfache und mehr. Es gab Geschichten von US-Geheimdienstmitarbeitern, die den Franzosen auf dem Rollfeld eines chinesischen Flughafens palettenweise Masken vor der Nase wegkauften, indem sie einfach den vierfachen Preis bar hinlegten.
Ja, Spahn hat in der Pandemie Fehler zu verantworten. Der Schnelltest-Betrug wirft kein gutes Licht auf sein Ministerium, selbstbewusste Ankündigungen konnte er teils nicht einhalten. Und wie es aussieht, hat sein Haus am Ende tatsächlich den Überblick über seine Maskenkäufe verloren. Dass der Rechnungshof das anprangert, ist dessen Aufgabe, und mögliche dubiose Geschäfte müssen aufgeklärt werden. Doch bei der Einordnung sollte man nicht vergessen, dass damals nicht nur in Spahns Ministerium Chaos herrschte, sondern nahezu weltweit.
Sebastian.Horsch@ovb.net