Polizei bricht Türen zu „Rigaer 94“ auf

von Redaktion

Berlin – Als die Beamten mit einer Motorsäge die erste Tür öffnen, zünden die Bewohner Bengalos. Die Einsatzkräfte öffnen auch eine zweite Eingangstür und verschaffen sich zudem über den Hof eines Nebengebäudes Zugang. Dort werden sie von Bewohnern mit Farbbeuteln beworfen und mit Feuerlöschmittel besprüht. Und das alles für den angekündigten Besuch eines Brandschutzgutachters – er beginnt dann Stunden später mit der Arbeit.

Auch am Donnerstag steht das teilweise besetzte Gebäude „Rigaer 94“ in Berlin-Friedrichshain im Fokus der deutschen Politik. Erneut gibt es mehrere verletzte Polizisten. Die Polizei ist nach eigenen Angaben mit mehr als 1000 Kräften im Einsatz. Straßen sind weiträumig gesperrt. In der Nachbarschaft der „Rigaer 94“ bleiben am Donnerstag Schule und Kita geschlossen, ebenso das Bezirksamt. Über dem Haus werden Raketen und Böller gezündet.

Am Mittwoch vor der geplanten Brandschutzprüfung hatten Vermummte die Polizisten attackiert. Sie wurden mit Steinen beworfen. Auf der Rigaer Straße brannten Barrikaden. Mehr als 70 Beamte wurden nach Polizeiangaben verletzt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte dazu im Abgeordnetenhaus: „Das ist offenes Gangstertum.“ Der Rechtsstaat werde sich aber durchsetzen.

Am Donnerstagmorgen brechen dann die Polizisten mit Ramme, Trennschleifer und Kettensäge eine äußere Tür an der „Rigaer 94“ auf Später klagen mehrere Polizisten über Atemwegsreizungen, weitere 13 über ein Knalltrauma. Einige Einsatzkräfte wagen sich nur mit Gasmasken ins Gebäude.

Seit langem gibt es Konflikte um die Rigaer Straße 94. Das Haus ist eines der letzten zum Teil besetzten Häuser in der Hauptstadt und gilt auch als Symbol für die linksextreme Szene. Die Bewohner und ihre Unterstützer hatten schon lange Widerstand gegen die Begehung angekündigt und immer wieder mit Gewalt gedroht. In dem Gebäudekomplex aus drei Häusern mit 30 Wohnungen wurden vor Jahren zahlreiche Mängel beim Brandschutz dokumentiert: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Für viele Wohnungen gibt es Mietverträge. Es ist aber unklar, wer dort wohnt. Und wer das Haus 94 besitzt.

Die politischen Wellen schlagen hoch. So laufe das bei einer „Linkskoalition in Städten“, verbreitet der CSU-Bundestagsabgeordnete Stefan Müller: „Wohnviertel werden zu Brutstätten des Linksterrors.“ Die Berliner CDU verlangt harte Strafen. „Pflastersteine auf Einsatzkräfte und andere Menschen sind versuchte Totschlagstaten.“ Tatsächlich wird in zwölf Fällen wegen versuchten Totschlags und wegen besonders schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Auch Hubert Aiwanger, der Freie-Wähler-Chef, meldet sich zu Wort und fordert einen drastischen Polizeieinsatz: „Will man da noch 30 Jahre zuschauen? Sowas muss in drei Stunden beendet sein – sonst gute Nacht.“

Ungewöhnlich: Sogar der Bundespräsident, der Tagespolitik ansonsten enthoben, schaltet sich ein. „Die äußerst gewalttätigen Ausschreitungen dagegen sind nicht hinnehmbar und erfordern eine unmissverständliche Antwort des Rechtsstaates“, schreibt Frank-Walter Steinmeier in einem Brief an die Einsatzkräfte. Die Ausschreitungen und die „erschreckend hohe Zahl der verletzten Polizeikräfte“ erschütterten ihn. Er wünscht den verletzten Beamten gute Besserung. „Ausgerechnet Sie, die sich täglich für die Sicherheit und die Freiheit einsetzen, sind in unerträglicher Weise zur Zielscheibe geworden.“ Die Angreifer hätten „offen ihren Hass auf die Polizei und ihre Verachtung des Staates gezeigt“.

Am Abend wird die Brandschutzkontrolle zumindest störungsfrei und ohne neue Verletzte beendet. Die Gewalt in Berlin geht aber weiter. Bei einem Solidaritäts-Demonstrationszug durch Friedrichshain werfen Linksextremisten am Donnerstagabend erneut mit Flaschen, Böllern und Steinen auf die Polizei, die mit Tränengas reagiert. mm/dpa/afp

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