Rechnungshof kritisiert Maskenkäufe

von Redaktion

„Massive Überbeschaffung“ durch Ministerium – Spahn beruft sich auf Notsituation

München/Berlin – Der Satz klingt im Nachhinein wie eine vorgezogene Entschuldigung. „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen“, hatte Jens Spahn (CDU) zu Anfang der Pandemie gesagt. Dass es allerdings vor allem er selbst ist, der heute für einiges um Verzeihung bitten könnte, war noch im Winter überhaupt nicht abzusehen. Der bis dahin noch starke Gesundheitsminister wurde gar als CDU-Kanzlerkandidat gehandelt.

Ein Gedanke, der heute mutig erscheint. Für Spahn läuft es nämlich seit Jahresbeginn nicht mehr gut. „Impf-Debakel“, „Test-Chaos“, „Schnelltest-Betrug“ – große mediale Aufreger fallen in sein Ressort, und teils auch in seine Verantwortung.

Und nun droht dem Minister erneut Ungemach. Denn der Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik an der zentralen Beschaffung von Corona-Schutzmasken durch das Bundesgesundheitsministerium im Frühjahr 2020. Der Einsatz, mit dem Spahns Haus gegen eine Notlage im Gesundheitswesen angekämpft habe, sei zwar anzuerkennen. Doch dabei sei eben auch einiges schiefgelaufen. Die Prüfer rügen das „Fehlen einer systematischen Mengensteuerung“. Die aus „massiver Überbeschaffung resultierenden Lagerbestände“ und die aufgewendeten Haushaltsmittel in Milliardenhöhe seien „nicht wirtschaftlich für eine wirksame Pandemiebekämpfung eingesetzt“ worden. Kurz gesagt: Das Ministerium habe unnötigerweise viel zu viel Schutzausrüstung beschafft.

Die kontrahierte Gesamtmenge aus allen Beschaffungswegen übersteige mit 5,8 Milliarden Schutzmasken selbst einen vom Ministerium „auf der Grundlage sachfremder Annahmen“ berechneten Jahresbedarf von 4,7 Milliarden Masken noch um 23 Prozent, heißt es in dem Bericht. Zu den Beschaffungsausgaben von 6,3 Milliarden Euro kämen Kosten von bislang 320 Millionen Euro – etwa für Transport, Lagerung, Qualitätsprüfungen und externe Beratung hinzu. Und durch Rechtsstreitigkeiten und Entsorgungskosten könne es noch teurer werden.

Der Lagerbestand habe am 1. April 2021 insgesamt 2,4 Milliarden Masken betragen, heißt es im Bericht. „Davon gelten weite Teile als streitbefangen, weil sie Qualitätsprüfungen nicht bestanden haben.“ Der Bundesrechnungshof fordert das Ministerium deshalb auf, eine „zeitnahe Verteilung qualitätsgeprüfter und einsetzbarer Lagerbestände zur Pandemiebekämpfung zu prüfen“ – besonders deshalb, weil nach Ablauf des Verfallsdatums weitere Ausgaben für die Entsorgung anfielen.

Er könne sich erinnern, wie im vergangenen Jahr Universitätskliniken wegen fehlender Masken fürchteten, den Betrieb einstellen zu müssen, rechtfertigt sich Spahn gestern. „Ja, es stimmt: In dieser Notlage haben wir tatsächlich unkonventionell handeln müssen.“ Statt sich wegzuducken, habe sein Ministerium alles versucht – „und auch viel bezahlt, das ist wahr.“

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke forderte gestern schnelle Aufklärung der neuen offenen Fragen noch vor der Bundestagswahl. „Das wird nur noch eine von allen Fraktionen anerkannte Sonderermittlerin leisten können.“ Union und SPD müssten ihre Blockade aufgeben. Sonst drohe ein langwieriger Untersuchungsausschuss nach der Wahl.             mit dpa SEBASTIAN HORSCH

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