Muslim-Quote an Dänemarks Gymnasien

von Redaktion

VON ANDRÉ ANWAR

Stockholm/Kopenhagen – Mette Frederiksen greift wahrhaftig durch. Dänemarks Ministerpräsidentin hat die politischen Verhältnisse durcheinandergewirbelt. Zumindest beim Verzicht auf gängige Denkschablonen. „Mettes Sozialdemokraten“ haben die Rechtspopulisten in der Ausländerpolitik rechts und in ihrer sehr ausgeprägten Sozialpolitik für („richtige“) Dänen links überholt. Das Volk ist entzückt. Zumindest ein Großteil.

Nun will sie das Land von Grund auf verändern. Die Gymnasien sollen bezüglich ethnischer Herkunft und sozialen Klassen der Schüler kräftig durchmischt werden. Ziel ist, die in Ghettos überwiegend von Kindern mit muslimischem Hintergrund dominierten Gymnasien zu öffnen, um für mehr Integration zu sorgen und gegen Parallelgesellschaften vorzugehen. Pro Gymnasium sollen maximal 30 Prozent der Kinder muslimischen Hintergrund haben.

Da es verfassungsrechtlich verboten ist, Menschen unterschiedlicher Ethnizität unterschiedlich zu behandeln, hat sich Kopenhagen etwas anderes einfallen lassen. Früher entschied zumeist der kürzeste Schulweg darüber, an welches Gymnasium Kinder kamen. So blieben zumeist Ethnien bis zum Abitur unter sich, aufgeteilt in mittlere, bessere oder sehr exklusive Wohngegenden. Genauso wie die sozial schwachen Migranten in sogenannten Ghettos. Kein Kultur- und Sozialschichtenaustausch – bis auf den Input der Lehrer.

In Zukunft soll das Gehalt der Eltern über die Zuteilung des Gymnasiums entscheiden. Man mischt christlich geprägte Dänen unterschiedlichster sozialer Klassen mit zumeist ärmeren muslimisch geprägten Migrantenkindern. So hofft Kopenhagen, die auseinandergedriftete, einst so auf Gleichheit setzende dänische Gesellschaft wieder zusammenzuschmieden. Ob das klappt, bleibt offen. „Ich war an einer Schule, an der fast nur Kinder der Reichsten waren und dann halt ein paar Arbeiterkinder so wie ich. Wir hatten während der ganzen Schulzeit einen riesigen Graben zwischen uns“, erinnert sich die heute 34-jährige Nanna, die zudem noch blond ist und keine Einwanderereltern mit anderen Bräuchen hat.

Früher versuchten die Sozialdemokraten durch den Bau preiswerter Arbeiter-Mietwohnungen in exklusiven bürgerlichen Stadtteilen eine größere Heterogenität herbeizuführen. Studien darüber kommen aber zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine kleine dänische Studie der Universität Roskilde von 2018 hielt es für ein „Integrations-Hindernis“, muslimisch geprägte Einwandererfamilien zu verteilen. Sie würden sich allein und isoliert fühlen. Ob es den Kindern auch so gehen wird? Das wird wohl von der Ausgestaltung im Detail und den Pädagogen abhängen. Gleichzeitig will Kopenhagen mit dieser Reform auch die Gymnasien am Land wegen der älter werdenden Gesellschaft ohne ausreichenden Kindernachschub vor dem Aussterben bewahren. Die Schüler müssen dann früher aufstehen und haben längere Schulwege. Klassen könnten so aber auch kleiner werden.

Doch die gegenüber der muslimischen oder „nicht-westlichen“ Armutseinwanderung offen feindlich gewordenen Sozialdemokraten haben noch viel weiter gesteckte Ziele. Das einst für sein humanitäres Weltgewissen und Toleranz bekannte Königreich fuhr schon in den vergangenen zehn Jahren einen sehr harten Kurs gegen Migranten. Viele Strafen wurden verschärft, ein „Ghetto-Paket“ wurde erlassen. Stadtviertel mit einem sehr hohen Anteil von Muslimen soll es nicht mehr geben.

Dafür wurden 22 Maßnahmen vorgestellt mit dem Titel „Ein Dänemark ohne Parallelgesellschaften: Keine Ghettos bis 2030“. Eine davon: Weil Ghettos besonders mit Kriminalität zu kämpfen haben, soll es der örtlichen Polizei erlaubt werden, zeitlich festgelegte Strafzonen einzuführen. Bestimmte Straftaten werden dann im Problemviertel doppelt so hart bestraft wie in besseren Wohngegenden.

Nun erhöht Frederiksen erneut den Druck. In Zukunft sollen exakt „null“ Asylbewerber nach Dänemark kommen. Kopenhagen habe das nun als Vision am Horizont. Dabei kommen schon seit Langem relativ wenig Migranten nach Dänemark. 2020 wurden 1547 Asylbewerber gezählt. Das ist der niedrigste Stand seit 1998.

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