Im Kuschelkurs ins Kanzleramt

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Markus Söder ist fast durch mit seiner Rede, als er doch noch etwas beichten muss. „Natürlich gab es zehn Tage, wo es mal eine spannende Situation gab zwischen uns“, sagt er und dreht sich rüber zu Armin Laschet. Dann spricht er von der „einen oder anderen Enttäuschung“ und es ist nicht klar, ob der CSU-Chef seine verpufften Kanzlerpläne meint oder Laschets Enttäuschung über die Sticheleien aus München. Jedenfalls sei jetzt alles ausgeräumt. „Es gibt keinen Groll.“

Bis zuletzt tat sich Söder schwer, seine Niederlage im Rennen um die Kanzlerkandidatur zu akzeptieren. Lob für Laschet kam ihm kaum über die Lippen, was Zweifel am Teamwillen des Bayern nährte. Aber Zwist kann sich die Union im Wahlkampf nicht erlauben, weshalb Söder sich am Montag um ein klares Bekenntnis bemüht. Laschets „sehr gute Performance“ sei ein Grund für die steigenden Umfragewerte. „Wir werden es gemeinsam rocken.“

Groll oder nicht – nimmt man den gestrigen Auftritt in Berlin als Folie für die nächsten Wochen, dann scheinen die beiden Ex-Kontrahenten zu einer Art Arbeitsteilung gefunden zu haben. Laschet gibt sich bei der Vorstellung des Wahlprogramms staatsmännisch, zeigt die großen Linien auf, die es praktischerweise erlauben, im Detail nicht allzu konkret werden zu müssen. Söder sorgt für die Reibung: „Die Deutschen trauen den Grünen das Kanzleramt nicht zu“, sagt er und fügt an: „Man kann auch grüne Politik machen ohne die Grünen.“

Tatsächlich nimmt der Klimaschutz auf den 140 Seiten Wahlprogramm einigen Raum ein. Der Anspruch sei, Deutschland zu einem „klimaneutralen Industrieland“ zu machen, sagt Laschet und spricht von einem „Dreiklang aus Klimaschutz, wirtschaftlicher Stärke und sozialer Sicherheit“. Insgesamt fordert er ein „Modernisierungsjahrzehnt“ für das Land. Die Pandemie habe gezeigt, was in kürzester Zeit möglich sei. „Geht nicht, gibt’s in Deutschland nicht mehr.“

Noch am Sonntag schraubten er und Söder am gemeinsamen Programm herum, einiges wurde in letzter Sekunde zurechtgestutzt. Die Generationenrente etwa, bei der der Staat für jedes Kind monatlich einen fixen Betrag in einen Fonds zahlt, bleibt als Idee im Programm stehen. Der ursprüngliche Betrag von 100 Euro im Monat fehlt aber. Letztlich steht alles unter einem Finanzierungsvorbehalt. Nach der Wahl wolle man einen Kassensturz machen, sagt Söder, und dann sehen, was möglich sei.

Die Konkurrenz wittert eine Mogelpackung und wirft der Union neben mangelnder Detailschärfe vor allem vor, die Finanzierung der Vorhaben nicht durchdacht zu haben. Laschet und Söder halten dagegen. Anders als Grüne, SPD und Linke lehnen sie Steuererhöhungen auch für Gutverdiener ab – stattdessen soll ein „umfangreiches Entfesselungspaket“ die Wirtschaft stimulieren und mittelfristig mehr Geld in die Steuerkasse spülen. Damit sollen dann die Vorhaben des Programms finanziert werden.

Vor allem Grüne und SPD sind skeptisch. SPD-General Lars Klingbeil wirft der Union „soziale Kälte“ vor. Sie habe ein Programm vorgelegt, bei dem „auf den Vorstandsetagen die Sektkorken knallen“. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock findet das Programm „unmutig“ und „unsozial“. Statt große Reformprojekte etwa beim Klimaschutz anzugehen, wolle die Union „weitermachen wie bisher – nach dem Motto: Augen zu und durch“.

Die beiden Unions-Männer aber lassen sich auf ihrem neuen Kuschelkurs nicht stören. Selbst die Tatsache, dass es der CSU-Wahlkampfschlager Mütterrente nicht ins Programm geschafft hat, schluckt Söder halbwegs souverän herunter. Sie wird dafür im „Bayernplan“ stehen, der – das beteuert der Bayer ausdrücklich – zum gemeinsamen Programm „nicht kontra laufen“ soll.

Nur einmal wird die neue Geschlossenheit getrübt. Als ein Journalist Laschet fragt, ob er wisse, wie viel ein Liter Diesel kostet, kommt er ins Schleudern. „1,33 Euro“, sagt er dann, bevor Söder ihn forsch korrigiert: Der Preis liege bei 1,25 Euro, sagt er. Der Vorgeführte schweigt.

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